Entdollarisierung bei der «Neuen Entwicklungsbank» der BRICS

Ben Norton. (Bild Twitter)

von Ben Norton,* USA

(4. Juli 2023) Die Neue Entwicklungsbank des BRICS-Blocks, eine Alternative zur US-dominierten Weltbank, entdollarisiert ihre Kredite, fördert lokale Währungen und nimmt neue Mitglieder auf: Argentinien, Saudi-Arabien und Simbabwe.

Der BRICS-Block aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika expandiert1 und baut eine neue Wirtschaftsarchitektur auf, um die Dominanz des US-Dollars in Frage zu stellen.

Eine der wichtigsten von den BRICS geschaffenen Institutionen ist die «Neue Entwicklungsbank» (NDB). Dabei handelt es sich um eine auf den globalen Süden ausgerichtete Alternative zur Weltbank, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten hat und im Wesentlichen von diesen kontrolliert wird.

Direktoren der Neue Entwicklungsbank (NDB) mit Präsidentin Dilma Rousseff
in ihrer Mitte. (Bild popularresistance.org)

Im März 2023 weihte die NDB ihre neue Chefin ein: Dilma Rousseff, die ehemalige Präsidentin Brasiliens, von der linken Arbeiterpartei des südamerikanischen Landes.

Rousseff betonte, dass die Ziele der NDB die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen «und die Unterstützung unserer Mitglieder bei der Bekämpfung der Armut, der Schaffung von Arbeitsplätzen2 und der Förderung einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung» seien.

Sie begrüsste auch den Beitritt weiterer Länder zur Bank.

Zu den derzeitigen NDB-Mitgliedern gehören die fünf BRICS-Staaten sowie Bangladesch, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Uruguay befindet sich bereits im Beitrittsprozess.

Rousseff gab am 1. Juni bekannt, dass drei weitere Länder als neue Mitglieder aufgenommen wurden: Argentinien, Saudi-Arabien und Simbabwe.

Rousseff sagte, die NDB-Führung habe den Beitrittsantrag dieser Länder genehmigt, und die Entscheidung werde offiziell im August auf dem Gipfeltreffen der BRICS-Staatschefs bekannt gegeben, das voraussichtlich in Südafrika stattfinden wird.

Die neue NDB-Präsidentin gab diese Nachricht bekannt, als der argentinische Wirtschaftsminister Sergio Massa den Hauptsitz der Bank in Shanghai, China, besuchte.

Der brasilianische Präsident Lula da Silva, der während seiner ersten beiden Amtszeiten in den 2000er Jahren zur Gründung der BRICS beigetragen hat, wurde im Januar 2023 wieder ins Amt gewählt.

Lula hat sich massgeblich für den Beitritt Argentiniens zu den BRICS eingesetzt. Auf einem Gipfeltreffen südamerikanischer Staats- und Regierungschefs in Brasilien im Mai 2023 befürwortete Lula auch den Beitritt Venezuelas zu diesem Block.3

BRICS-Bank verpflichtet sich zur Entdollarisierung

Am 30. und 31. Mai hielt die Neue Entwicklungsbank ihre Jahrestagung ab – die achte seit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 2015.

NDB-Präsidentin Rousseff nutzte den besonderen Anlass, um zu bekräftigen, dass das Ziel der Bank letztendlich die Entdollarisierung ist.

Das kurzfristige Ziel ist es, 30 Prozent der NDB-Kredite in lokalen Währungen anzubieten. Dies wäre eine Steigerung gegenüber dem derzeitigen Anteil von 22 Prozent.

Im April hatte Rousseff erstmals angekündigt, dass die NDB eine Abkehr vom US-Dollar plant,4 und versprochen, dass bis 2026 fast ein Drittel der Kredite in den Währungen der Mitgliedsländer finanziert werden soll.

Durch die Diversifizierung der Währungen will die NDB nicht nur die Abhängigkeit des Blocks vom Dollar schwächen, sondern auch den Entwicklungsländern helfen,5 schmerzhafte Wechselkursschwankungen zu vermeiden.

Der US-Dollar ist die globale Reservewährung, so dass die Geldpolitik Washingtons Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat (ein Phänomen, das als Triffin-Dilemma bekannt ist).

Seit März 2022 hat die US-Zentralbank, die Federal Reserve, die Zinsen aggressiv angehoben.6 Dadurch sind die Währungen vieler Länder des Globalen Südens unter Druck geraten, was die Einfuhr ausländischer Produkte und die Tilgung von Dollar-Schulden verteuert7 und gleichzeitig die Kapitalflucht begünstigt.

«Wir müssen ein diversifiziertes globales Währungssystem schaffen»,8 sagte Rousseff auf der NDB-Jahrestagung. «Es ist unwahrscheinlich, dass in Zukunft eine einzige Währung das weltweite Währungssystem dominieren kann. Wir werden sehen, dass mehrere lokale Währungen für die Abwicklung des Handels verwendet werden», fügte die NDB-Präsidentin hinzu.

Die Neue Entwicklungsbank hat bereits Anleihen in Chinas Währung, dem Renminbi, ausgegeben.

Der chinesische Vizepremier Ding Xuexiang sagte auf der Jahrestagung der BRICS-Bank, dass «die NDB den aufstrebenden Volkswirtschaften durch die Finanzierung von mehr Infrastrukturbauten und nachhaltigen Projekten besser zur Seite stehen kann».

Rousseffs Ansicht, dass sich die Welt auf eine multipolare Währungsordnung zubewegt, wurde sogar von einigen westlichen Mainstream-Medien und Analysten bestätigt.

Die Chefredakteurin der «Financial Times», Gillian Tett, forderte Investoren im März auf, sich «auf eine multipolare Währungswelt vorzubereiten».9

Der prominente Wirtschaftswissenschaftler Zoltan Pozsar schrieb im Januar in der «Financial Times», dass die «unipolare Ära» der US-Hegemonie vorbei sei10 und durch eine «multipolare» Ordnung mit «einer Welt und zwei Systemen» ersetzt wurde.

Pozsar, den die Finanzpresse als «Superstar» bezeichnete,11 stellte fest, dass «das Tempo der Entdollarisierung zugenommen zu haben scheint», da immer mehr BRICS-interessierte Länder, in ihren eigenen Währungen Handel treiben.

«Wenn weniger Handel in US-Dollar fakturiert wird und die Rückführung von Dollarüberschüssen in traditionelle Reservewährungen wie Staatsanleihen abnimmt, könnte das ‹exorbitante Privileg› des Dollars als internationale Reservewährung in Frage gestellt werden», warnte Pozsar.

Wie die Weltbank von den USA kontrolliert wird

Im Gegensatz zur Weltbank ist die Neue Entwicklungsbank eine wirklich multilaterale Institution, die nicht von einer einzelnen Macht dominiert wird.

In der Gründungsvereinbarung von 2014 heisst es,12 dass das «gezeichnete Anfangskapital der NDB gleichmässig auf die Gründungsmitglieder verteilt wird» und dass «die Stimmrechte jedes Mitglieds den gezeichneten Anteilen am Stammkapital der Bank entsprechen».

Kein Mitgliedsland hat in der NDB ein Vetorecht.

In der NDB-Gründungsvereinbarung heisst es unter anderem: «Der Präsident der Bank wird turnusmässig aus den Reihen der Gründungsmitglieder gewählt, und jedes der anderen Gründungsmitglieder stellt mindestens einen Vizepräsidenten.»

Bei der Weltbank ist das anders. Diese Institution wird im Wesentlichen von den USA kontrolliert und hat ihren Hauptsitz in Washington, DC.

Auf ihrer Website stellt die Bank klar,13 dass die USA «auch heute noch der grösste Anteilseigner der Weltbankgruppe sind» und rühmt sich, dass «die Vereinigten Staaten – als einziger Anteilseigner der Weltbankgruppe mit Vetorecht bei bestimmten Änderungen der Struktur der Bank – eine einzigartige Rolle bei der Beeinflussung und Gestaltung der globalen Entwicklungsprioritäten spielen».

Auch auf der Website der Bank heisst es: «Der Präsident der Weltbank ist traditionell ein von den Vereinigten Staaten ernannter US-Bürger».

Die USA verfügen über 15,81 Prozent der Stimmrechte14 in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), dem Kreditgeber der Weltbankgruppe. Kein anderes Land kommt auch nur annähernd daran heran.

An zweiter Stelle liegt Japan mit 7,22 Prozent der Stimmrechte. Obwohl China viermal so viele Einwohner hat wie die USA, liegt sein Stimmenanteil bei nur 5,60 Prozent.15 Deutschland kommt auf 4,30 Prozent und Grossbritannien auf 3,81 Prozent.

Indien mit einer Bevölkerung von mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern liegt gleichauf mit Frankreich, das weniger als 66 Millionen Einwohner hat; beide verfügen über 3,81 Prozent der Stimmrechte in der Weltbank.

Russland hat nur 2,88 Prozent. Kanada hat 2,56 Prozent und Italien 2,50 Prozent.

Die Weltbank agiert als eine Art neokoloniale Institution, die von den westlichen Mächten dominiert wird. Sie ist weniger die «Welt»bank als vielmehr die «Washington»bank.

Zusammen mit ihrem Bretton-Woods-Schwesterinstitut, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der ebenfalls von den USA dominiert wird, ist die Weltbank berüchtigt dafür, die Länder des Globalen Südens in die Schuldenfalle zu treiben.16

Wenn Schuldnerländer nicht in der Lage sind, ihre Schulden an die Weltbank (oder den IWF) zurückzuzahlen, verhängt die von den USA kontrollierte Institution im Rahmen eines «Strukturanpassungsprogramms» häufig eine harte neoliberale Wirtschaftspolitik, die von der Regierung verlangt, Sozialleistungen zu kürzen, Löhne zu senken, Renten zu streichen, Ausgaben für das Gesundheits- und Bildungswesen zu reduzieren, Subventionen zu streichen, staatliche Unternehmen zu privatisieren und Märkte zu deregulieren.

Der ehemalige Berater John Perkins beschrieb in seinem Buch «Confessions of an Economic Hit Man» [Die Bekenntnisse eines Economic Hit Man] die Weltbank als einen «Agenten des globalen Imperiums», der dazu beiträgt, arme Länder im globalen Süden «um Billionen von Dollar zu betrügen» und anschliessend «das Geld […] in die Kassen riesiger Konzerne und die Taschen einiger weniger reicher Familien zu leiten, die die natürlichen Ressourcen des Planeten kontrollieren».

Perkins fügte hinzu, dass die «Wirtschaftskiller» bei der Weltbank und ähnlichen von den USA dominierten Institutionen «ein Spiel spielen, das so alt ist wie die Weltreiche».

* Benjamin Norton ist Journalist und Analyst, der sich in seiner Arbeit hauptsächlich mit Geopolitik und der Aussenpolitik der USA befasst. Er lebt in Lateinamerika und spricht Englisch und Spanisch. Ben Norton ist Gründer und Chefredakteur von «Geopolitical Economy Report», einer unabhängigen Nachrichtenwebsite, die sich der Veröffentlichung von Originaljournalismus und -analysen widmet. Ben Norton hat bereits aus zahlreichen Ländern berichtet, darunter Venezuela, Nicaragua, Bolivien, Ecuador, Honduras, Kolumbien und andere.

Quelle: https://popularresistance.org/brics-new-development-bank-de-dollarizing/, 8. Juni 2023

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://geopoliticaleconomy.com/2023/06/03/brics-adding-members-currency-us-dollar/

2 https://twitter.com/NDB_int/status/1663458457440382977

3 https://orinocotribune.com/brazil-supports-venezuela-joining-brics/

4 https://geopoliticaleconomy.com/2023/04/15/brics-bank-dollar-local-currencies-dilma/

5 https://www.scmp.com/business/china-business/article/3222339/shanghai-based-new-development-bank-seeks-finance-more-infrastructure-projects-local-currency-avoid

6 https://geopoliticaleconomy.com/2022/06/28/michael-hudson-inflation-fed-wages/

7 https://geopoliticaleconomy.com/2022/11/13/imf-debt-crises-global-south-interest-dollar/

8 https://www.scmp.com/business/china-business/article/3222339/shanghai-based-new-development-bank-seeks-finance-more-infrastructure-projects-local-currency-avoid

9 https://www.ft.com/content/f8f3b2cd-6690-4f26-b81e-e972751c8799

10 https://geopoliticaleconomy.com/2023/01/21/brics-us-dollar-saudi-oil-currency-multipolar/

11 https://www.finews.asia/people/37179-zoltan-pozsar-superstar-research-credit-suisse-jules-verne-asia-apac

12 https://www.brics.utoronto.ca/docs/140715-bank.html

13 https://www.worldbank.org/en/country/unitedstates/overview#3

14 https://www.worldbank.org/en/about/leadership/votingpowers

15 https://finances.worldbank.org/Shareholder-Equity/Top-8-countries-voting-power/udm3-vzz9

16 https://geopoliticaleconomy.com/2022/12/18/argentina-neocolonial-debt-history/

Zurück