Das Weltwirtschaftsforum und die Welt-«Elite»

Wolfgang Bittner. (Bild
wolfgangbittner.de)

von Wolfgang Bittner,* Deutschland

(25. Januar 2024) (Red.) Ist das WEF tatsächlich eine Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby? Vom 15. bis 19. Januar hat in Davos wieder ein Treffen des überaus einflussreichen Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum; WEF) stattgefunden, zu dem mehr als 2800 Teilnehmer angereist sind, darunter über 60 Staats- und Regierungschefs. Diesmal lautete das Motto: «Rebuildung Trust» («Vertrauen wiederherstellen»). Der Schriftsteller Wolfgang Bittner wirft einen sezierenden Blick auf dieses Konstrukt und dessen Bestrebungen, eine globalisierte, privatrechtliche, nicht demokratische Weltordnung zu schaffen.

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ISBN 978-3-943007-47-3

In der Bevölkerung kaum bekannt sind die verstörenden Pläne dieses Forums zu einer grundlegenden Neuordnung der Gesellschaft. Sie werden überdeckt von einem die Menschen verwirrenden Informationschaos, der Klima-Panik und den Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten. Das WEF (World Economic Forum), eine Stiftung und weltweit vernetzte Lobbyorganisation, hat seinen Hauptsitz in der Schweiz bei Genf und veranstaltet jährliche Treffen, zumeist in Davos, an denen die «Elite» der Welt teilnimmt. Es unterhält Büros in New York, Tokio und Peking. Die Macht dieser Organisation wird – ebenso wie die der «Bilderberg-Gruppe»1 – oft unterschätzt. Denn es ist keine harmlose Honoratiorengesellschaft, die sich in den Schweizerischen Bergen trifft, um nett miteinander zu plaudern.

Ziel eines jeweils parallel zum Jahrestreffen stattfindenden Open Forum ist nach eigenem Bekunden, «die Öffentlichkeit an den Diskussionen zwischen EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilhaben zu lassen». Weiter heisst es: «Zu unsern Panelisten zählen wir regelmässig hochrangige RegierungsvertreterInnen, UnternehmensführerInnen, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und AktivistInnen, welche ihre Geschichten und Sichtweisen mit dem Publikum teilen. Im Sinne des ‹Spirit of Davos› soll das Open Forum den Dialog zwischen EntscheidungsträgerInnen aus unterschiedlichen Sparten und Lebenslagen fördern, um Lösungen zu den dringlichsten globalen Herausforderungen unserer Zeit zu suchen2

Das klingt keineswegs nach Verschwörung. Aber etwas deutlicher, und damit problematisch, wird die Zielsetzung, wenn das WEF in seinem «Global Redesign»-Bericht aus dem Jahr 2010 fordert, «dass eine globalisierte Welt am besten von einer Koalition aus multinationalen Unternehmen, Regierungen (auch über das System der Vereinten Nationen (UN) und ausgewählten zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) gesteuert wird». Regierungen seien nicht mehr «die überwältigend dominierenden Akteure auf der Weltbühne», sodass «die Zeit für ein neues Stakeholder-Paradigma der internationalen Governance gekommen ist».3

Mit anderen Worten: Das WEF plant demokratische Organisationsformen, in denen die Macht im Staat vom Volk mittels gewählter Vertreter ausgehen soll, durch ein Herrschaftssystem zu ersetzen, in dem eine Gruppe von «Stakeholdern», also «führenden Persönlichkeiten», ein globales Entscheidungsgremium bildet. Positiv gesehen, wäre das eine Herrschaft der Weisen, wer auch immer das sein mag. Kritisch gesehen, bedeutet es eine plutokratische Diktatur in einer grenzenfreien, übernationalen Welt. Eine selbsternannte «Elite» würde also die Macht übernehmen und eine Art Weltregierung bilden.

Insofern stellt sich das WEF als eine ausserordentlich einflussreiche quasi mafiöse Organisation dar, die eine Machtübernahme nicht demokratisch legitimierter «Führungspersönlichkeiten» in globalem Ausmass vorbereitet. Zur Durchsetzung der Programmatik können dann Phasen globaler Instabilität genutzt werden, zum Beispiel die Corona-Pandemie, Hungersnöte oder die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Der Kommunikationsforscher und Autor Nick Buxton, der sich eingehend mit den Absichten des WEF befasst hat, kommt zu dem Ergebnis, «dass wir zunehmend in eine Welt eintreten, in der Zusammenkünfte wie Davos keine lächerlichen Milliardärsspielplätze sind, sondern die Zukunft der Global Governance». Es sei «nichts weniger als ein stiller Staatsstreich».4

Besonders deutlich werden Zielsetzung und die Macht des WEF, wenn man sieht, wer sich in welcher Weise am WEF beteiligt. Es sind etwa 1000 Mitgliedsunternehmen mit einem Umsatz von jeweils über fünf Milliarden US-Dollar,5 darunter die wichtigsten Unternehmen ihrer Branche, die auch politisch eine Rolle spielen.

Die Basis-Mitgliedergebühr beträgt 42 000 Schweizer Franken sowie eine Gebühr von 18 000 Schweizer Franken für die Teilnahme des jeweiligen Präsidenten am Jahrestreffen. Mitglieder aus der Industrie und strategische Partner bezahlen 250 000 Schweizer Franken bzw. 500 000 Schweizer Franken, um massgeblich an den Initiativen des Forums mitwirken zu können.6 Strategische Partner sind zum Beispiel BlackRock, die Gates Foundation, Goldman Sachs, Google, The Coca Cola Company, Allianz, Bank of America, BP Amoco, Credit Suisse, Deutsche Bank, Deutsche Post DHL, Facebook, der Pharmakonzern Johnson & Johnson, Mastercard, Mitsubishi Corporation, Paypal, SAP, Saudi Aramco, Siemens oder auch der Medienkonzern Thomson Reuters.7

1992 startete das WEF ein Programm für «Global Leaders of Tomorrow», das seit 2004 «Young Global Leaders» heisst, zur Förderung geeigneter zukünftiger Führungskräfte. Dadurch entstand ein globales Netzwerk mit bedeutenden Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kunst und Kultur, Adel und so weiter, die sich für die Pläne des WEF engagieren. In einem Interview renommierte dessen Gründer Klaus Schwab: «Worauf wir sehr stolz sind […], dass wir mit unsern Young Global Leaders in die Kabinette eindringen.»8 Auf diese Weise nimmt das WEF weltweit Einfluss auf das öffentliche Leben.

Bereits am ersten Programm 1992 nahmen später sehr bekannt gewordene Persönlichkeiten teil wie Angela Merkel, Tony Blair, Nicolas Sarkozy, Manuel Barroso oder Bill Gates. In den folgenden Jahren kamen Hunderte hinzu, die nach und nach wichtige Positionen einnahmen: Emmanuel Macron, David Cameron, Sebastian Kurz, Annalena Baerbock, Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook), Jacinda Ardern (Premierministerin von Neuseeland), Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Ida Auken (Ex-Umweltministerin von Dänemark), Kronprinz Haakon von Norwegen, Larry Page (Mitgründer von Google), Leonardo DiCaprio (Schauspieler), Niklas Zennström (Mitentwickler von Skype) und Jimmy Wales (Mitgründer von Wikipedia).

2019 wandten sich mehr als 400 zivilgesellschaftliche Organisationen und 40 internationale Netzwerke gegen ein Partnerschaftsabkommen zwischen dem WEF und den Vereinten Nationen. Der UN-Generalsekretär wurde aufgefordert, das Abkommen zu beenden, da es eine «beunruhigende unternehmerische Vereinnahmung» der UN sei, die «die Welt gefährlich in Richtung einer privatisierten und undemokratischen Global Governance» bewege.9

Die US-amerikanische Journalistin Diana Johnstone hält das WEF für eine «Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby», konzentriert auf «digitale Innovation, massive Automatisierung durch ‹künstliche Intelligenz› und schliesslich sogar auf die ‹Verbesserung› des Menschen, indem sie ihn künstlich mit einigen Eigenschaften von Robotern ausstatten: zum Beispiel Problemlösung ohne ethische Ablenkungen.» Sie warnt vor der «Stimme der Möchtegern-Global Governance» und schreibt: «Von oben entscheiden Experten, was die Massen wollen sollen, und verdrehen die angeblichen Wünsche des Volkes, damit sie in die Profitschemata passen, mit denen sie hausieren gehen10

2021 meldete sich der ehemalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, zu Wort und kritisierte, dass Menschen wie Klaus Schwab «auf dem Thron ihres Reichtums» sässen und von den alltäglichen Schwierigkeiten und Leiden der Menschen durch die Corona-Pandemie nicht berührt würden. Vielmehr sähen sie in solchen Krisen eine Chance, ihre Programmatik eines meritokratischen globalen «Great Reset» mit zunehmender Kontrolle über die Gesellschaft durchzusetzen.11 Müller kritisierte eine Unterstützung unter anderem aus Bereichen des Transhumanismus.12 Ihm wurde Antisemitismus entgegengehalten.

Klaus Schwab und der französische Ökonom und «Globalstratege» Thierry Malleret schrieben in ihrem 2020 gemeinsam veröffentlichten Bestseller «Der grosse Umbruch» (Engl. «The Great Reset») zu den Intentionen des WEF: «Es geht darum, die Welt weniger gespalten, weniger verschmutzend, weniger zerstörerisch, integrativer, gerechter und fairer zu machen, als wir sie in der Zeit vor der Pandemie hinter uns gelassen haben.» Es könne zu Veränderungen kommen, «die vor dem Ausbruch der Pandemie unvorstellbar schienen», es werde eine «neue Normalität» geben.13

In einem Interview vom 19. November 2020 nach seinen Vorstellungen für den beabsichtigten «globalen Neuanfang» gefragt, antwortete Schwab: «Ich finde das Wort ‹Reset› passend. […] Denn eines ist klar: Wir können nicht zur alten Normalität zurückkehren.» Hinsichtlich der Bekämpfung der Corona-Pandemie vertrat er die Ansicht: «Was wir also in unserer Welt brauchen, ist ein verstärkt systemischer Ansatz, […] eine Reform des internationalen Systems.»14

Die Phase der Corona-Pandemie wird demnach als Epochenwechsel angesehen, mit dem sich die Verhältnisse in der Welt entsprechend der dargestellten Agenda des WEF grundlegend ändern sollen. Wie das nach einer Beendigung des Ukraine-Krieges geschehen soll, bleibt abzuwarten. Inzwischen sind die Staaten völlig verschuldet, Wirtschaft und Finanzen sind zerrüttet, und viele Menschen wissen nicht ein noch aus, sodass die Vorstellungen der Sachwalter des Weltwirtschaftsforums zunehmend an Gewicht gewinnen, einerlei ob es den «grossen Krieg» geben wird oder nicht.

Das optimal vernetzte WEF zielt auf eine globalisierte, privatrechtliche, also nicht demokratisch gesteuerte Weltordnung. Die Vorstellungen gehen nach Meinung informierter Kreise in Richtung einer umfassenden Digitalisierung, Zentralisierung und Überwachung.15 Diese Planungen gilt es zu verhindern und den Blick auf humane, angemessenere Formen des menschlichen Zusammenlebens zu richten.

* Wolfgang Bittner, geboren 1941, ist ein deutscher Schriftsteller. Er studierte Rechtswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Göttingen und München, absolvierte 1970 das erste juristische Staatsexamen, promovierte 1972 über ein strafrechtliches Thema und schloss 1973 das Referendariat mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. Seit 1974 hat sich Bittner mehr und mehr auf das Schreiben konzentriert. Er verfasst Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder und war als freier Mitarbeiter für zahlreiche Printmedien (u.a. Die Zeit, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung), den Hörfunk und das Fernsehen tätig.
Von Wolfgang Bittner erschienen 2014 «Die Eroberung Europas durch die USA», 2019 «Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen» sowie «Der neue West-Ost-Konflikt» und 2021 «Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen». Der vorstehende Artikel ist weitgehend ein Auszug aus dem 2023 erschienenen Buch «Ausnahmezustand – Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts».

Quelle: https://apolut.net/das-weltwirtschaftsforum-und-die-elite-der-welt-von-wolfgang-bittner/ 17. Januar 2024
(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.)

1 Die «Bilderberger» sind eine ebenfalls ausserordentlich einflussreiche, informell zusammentreffende Gruppierung, die global agiert und deren Leitung dem Vorsitzenden eines Lenkungsausschusses obliegt. Der Teilnehmerkreis ist ähnlich dem beim WEF; vgl. Wikipedia, Bilderberg-Konferenz, https://de.wikipedia.org/wiki/Bilderberg-Konferenz#Organisation (2.10.2022)

2 Zit. wie www.weforum.org/de/open-forum/pages/about

3 Zit. wie https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwirtschaftsforum (18.8.2021); kritisch hierzu: Springer Link, 29.11.2019: The Role of Public and Private Actors and Means in Implementing the SDGs: Reclaiming the Public Policy Space for Sustainable Development and Human Rights; https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-30469-0_12

4 Zit. wie Transnational Institute: Davos and its danger to Democracy, 18.1.2016; www.tni.org/es/node/22742

5 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Weltwirtschaftsforum (26.1.2022)

6 Vgl. Geoffrey Allen Pigman: The World Economic Forum. A multi-stakeholder approach to global governance. London 2007

7 Vgl. World Economic Forum: Strategische Partner; www.weforum.org/communities/strategic-partnership-b5337725-fac7-4f8a-9a4f-c89072b96a0d (20.10.2020)

8 Zit. wie BITCHUTE, 25.1.2022; www.bitchute.com/video/Md4l9RsMwxr5/ (26.1.2022)

9 Zit. wie Transnational Institute: Hunderte zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit verurteilen die Übernahme der UN durch das Weltwirtschaftsforum, 17.1.2020; www.tni.org/en/node/24855?content_language=es (20.9.2022)

10 Zit. wie apolut: The Great Pretext – Der grosse Vorwand für eine Dystopie, 5.12.2020; https://apolut.net/the-great-pretext-der-grosse-vorwand-fuer-eine-dystopie-von-diana-johnstone/

11 Zit. wie Süddeutsche Zeitung, 15.12.2021; https://www.sueddeutsche.de/politik/antisemitismus-kritik-an-kardinal-mueller-1.5489031

12 Transhumanismus = Ideologie zur Erweiterung der physischen, psychischen und intellektuellen menschlichen Möglichkeiten durch technologische Verfahren

13 Zit. wie Klaus Schwab/Thierry Malleret: Covid-19. Der grosse Umbruch. Cologny/Genf 2020, S. 293

14 Zit. wie YouTube: Klaus Schwab: «Wir können nicht zur alten Normalität zurückkehren», 19.11.2020; http://www.youtube.com/watch?v=q3M2CjHn5N8 (21.10.2022)

15 Dazu: Wolfgang Bittner: «Deutschland – verraten und verkauft», S. 252, 253 ff., 260 ff.

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