Wer bildet die Berufsoffiziere der Schweizer Armee aus?
von Stefan Hofer*
(14. Dezember 2023) An der Militärakademie der ETH Zürich, wo die Berufsoffiziere der Schweizer Armee ausgebildet werden, arbeitet seit Januar 2013 ein Mann namens Marcus Matthias Keupp als Dozent für Militärökonomie. Im November 2013 ist dieser PD Dr. M. M. Keupp in Anerkennung herausragender Leistungen in der Lehre ausgezeichnet worden mit der «Goldenen Eule» der ETH Zürich.
Wie steht es um die Fähigkeiten dieses mit der «Goldenen Eule» dekorierten Dozenten der Militärakademie, militärische Kräfteverhältnisse, Chancen und Risiken militärischer Operationen und die Kapazitäten einer Rüstungsindustrie analytisch zu beurteilen?
In einem Interview mit der NZZ (publiziert am 27. März 2023) hat der Militärdozent Marcus M. Keupp wörtlich folgendes ausgeführt:
«Wir sehen seit Januar im Donbass vermutlich die letzte russische Initiative, die in diesem Krieg noch möglich ist. Diese Initiative ist zum Scheitern verurteilt, weil den Russen allmählich Material und Menschen ausgehen. Die Lage um Bachmut hat zudem keine strategische Bedeutung für den Frontverlauf insgesamt. Die Ukraine beendet jetzt gerade das Training ihrer Panzerbesatzungen in Deutschland und Polen. Das heisst, wir können für Mitte April eine ukrainische Gegenoffensive mit westlichen Panzern erwarten. Die Ukraine wird vermutlich von Saporischja via Melitopol an die Schwarzmeerküste vorstossen und so die Front in zwei Teile spalten. Mit einem Schwenk nach Westen könnten sie dann die russischen Verbände zwischen Melitopol und Nowa Kachowka einkesseln. Ausserdem könnte sie dann Himars-Raketensysteme an die Küste stellen und die militärischen Installationen auf der Krim unter Beschuss nehmen so wie die Logistik unterbinden. Das wird dann der Moment sein, wo sich die russische Niederlage abzeichnet. Das ist meine Prognose. Deswegen habe ich auch gesagt: Russland wird den Krieg im Oktober militärisch verloren haben.»
Inzwischen ist der von Herrn Keupp für den Sieg der ukrainischen Armee genannte Termin bereits um zwei Monate überschritten. Die ukrainische Armee ist weder an die Küste des Asowschen Meeres vorgestossen noch hat sie die russischen Verbände zwischen Melitopol und Nowa Kachowka eingekesselt. Vielmehr ist die ukrainische Gegenoffensive mit extrem hohen Verlusten an Menschen und Material krachend gescheitert, was auch von der Mainstream-Presse im Westen nicht mehr in Abrede gestellt werden kann.
Wie zahlreiche Journalisten und selbsternannte Experten für Militärfragen hat der Dozent für Militärökonomie erklärt, den Russen würden «allmählich Material und Menschen ausgehen» und nach Ablauf von maximal 211 Kriegstagen (ab 27. März 2023) werde die russische Armee alle ihre noch verbliebenen Panzer verloren haben. Inzwischen sind schon über 250 Tage vergangen und die russische Armee verfügt immer noch über Kampfpanzer, während von den überlegenen Leopard- und Challenger-Panzern, welche die Nato-Staaten an die ukrainische Armee geliefert haben, schon eine beträchtliche Anzahl vernichtet ist.
Wörtlich erklärte der Professor für Militärökonomie:
«Was können die Russen übrig haben? Sie haben den Mythos einer angeblichen Wunderwaffe: Des Kampfpanzers Armata T-14, den wir bis heute nicht auf dem Kampfplatz gesehen haben. In der Frühjahrsoffensive werden wir Bilder von westlichen Leopard 2- und Challenger-2-Panzern sehen, die deutlich weiter als russische Panzer schiessen und diese daher aus der Ferne eliminieren können. Wenn sie den Technologie-Boost bei den Ukrainern sowie die russische Verlustrate und die sich erschöpfenden Ressourcen zusammenrechnen, dann ist eigentlich gar kein anderer Verlauf denkbar als eine russische Niederlage. […] Ich habe mich seit 2012 mit Russland, der russischen Armee, der dortigen Rüstungsindustrie … befasst und hierzu 2015 auch ein Buch veröffentlicht.»
Der NZZ-Journalist Andreas Rüesch, der regelmässig über den Krieg in der Ukraine schreibt und wahrlich nicht als Freund Russlands und als Putin-Versteher bezeichnet werden kann, beurteilt die Fähigkeiten und Kapazitäten der russischen Rüstungsindustrie wesentlich realistischer als der ETH-Dozent für Militärökonomie. So ist in der NZZ vom 29. November 2023 nachzulesen:
«Das oft verspottete Bild einer Armee, die auf uralte Sowjettechnik und Sturmangriffe mit ‹Kanonenfutter›-Soldaten setzt, ist allzu einseitig. Ein Beispiel für Russlands Fähigkeit zur Innovation sind die Kamikaze-Drohnen des Typs Lanzet. Anders als die aus Iran importierten Shahed-Langstrecken-Drohnen, mit denen Russland die ukrainische Energie-Infrastruktur attackiert, handelt es sich bei der Lanzet um eine russische Eigenentwicklung. Moskau hat sie in diesem Jahr bereits zu hunderten eingesetzt und damit dem ukrainischen Militär schwere Verluste zugefügt. […] Die Brillanz dieser russischen Entwicklung besteht nicht zuletzt in ihrer Einfachheit. Die Herstellung der Lanzet-Drohnen kostet nach russischen Angaben nur 3 Millionen Rubel oder umgerechnet CHF 30 000,00. Wenn es damit gelingt, ein westliches Militärgerät im Wert von hunderttausenden oder mehreren Millionen Dollar zu zerstören, ist die Erfolgsbilanz klar. […] Die Lanzet-Drohnen sind für Russlands Militär vor allem deshalb so nützlich, weil sie den russischen Nachteil bei der Artillerie teilweise kompensieren. Die ukrainische Artillerie verfügt dank westlichen Lieferungen über eine höhere Reichweite und grössere Präzision. Kamikaze-Drohnen schaffen Abhilfe: Sie ermöglichen es den Russen, gegnerische Geschütze systematisch auszuschalten. Eingesetzt wird die Lanzet meist in Kombination mit einer Aufklärungsdrohne, z.B. einer Orlan-10, einer weiteren russischen Eigenentwicklung. […] Gute Rezepte gegen diese Waffen haben die Ukrainer bis jetzt nicht gefunden. […] Die Einschätzung des ukrainischen Generalstabs von Anfang Juli, wonach Russland die meisten seiner Lanzet-Drohnen bereits verbraucht habe und nur noch 50 Stück besitze, hat sich als falsch erwiesen. […] Die Ukraine hat keine vergleichbare Drohne entwickelt, und die von den USA erhaltenen Kamikaze-Drohnen des Typs Switchblade 600 haben die hohen Erwartungen nicht erfüllt.»
Der Militärökonom Marcus M. Keupp behauptet, er lasse sich nicht von emotionalen Stimmungsbildern leiten, seine – inzwischen durch den Kriegsverlauf widerlegte – Beurteilung sei realistisch und basiere auf den militärischen Fakten. So meint er:
«Was für mich zählt sind die objektiven Fakten. Und die beobachte ich im tatsächlichen Kampf… Ich werde abwechselnd als Hyperrealist (sic!) und Nato-Kriegstreiber bezeichnet. Damit kann ich leben. […] Ich werde meine analytischen Fähigkeiten dafür einsetzen, diesen Krieg möglichst objektiv und faktenbasiert zu begleiten. […] Über uns richtet die Geschichte. Man möge im Oktober schauen, ob das stimmt, was ich gesagt habe.»
Der Kriegsverlauf seit der Publikation dieses Interviews hat bewiesen, dass es mit den analytischen Fähigkeiten, die Herr Keupp sich selbst zuschreibt, nicht weit her ist. Seit der Publikation des zitierten Interviews ist nichts geschehen, was nicht vorhersehbar war oder was nicht mindestens als Möglichkeit hätte in Betracht gezogen werden müssen. Offensichtlich ist Herr Keupp von einem derart starken Hass gegen Russland und die von Putin geführte russischen Regierung besessen, dass er unfähig ist, die militärischen Kräfteverhältnisse und den möglichen Kriegsverlauf faktenbasiert und realistisch zu beurteilen.
Eine solche Haltung ist gefährlich, wenn dadurch politische und militärische Entscheidungen beeinflusst und bestimmt werden. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Adolf Hitler bestimmt vom Hass auf die Russen und von der Überlegenheitsideologie der Nazis die Sowjetunion als Koloss auf tönernen Füssen bezeichnet hat und dass die Offiziere der Nazi-Wehrmacht ihren Soldaten am 21. Juni 1941 versprochen haben, dass sie an Weihnachten wieder zu Hause sein werden. Wie der Krieg gegen die Sowjetunion dann geendet hat und welche Opfer er gekostet hat, ist bekannt.
Herr Markus M. Keupp ist als Militärökonom offensichtlich inkompetent. Dass er als Dozent an der Militärakademie der ETH mitwirkt an der Ausbildung der Berufsoffiziere der Schweizer Armee, ist nicht nur bedenklich, sondern geradezu skandalös. Im Interesse unseres Landes und unserer Armee sollte Herrn Keupp, der in seinem Leben keinen Tag Militärdienst geleistet hat, der Lehrauftrag an der Militärakadamie entzogen werden. Er hätte dann mehr Zeit für seine künstlerische Tätigkeit, mit der er nicht viel Schaden anrichten kann.
Der bekannte Publizist Jacques Baud, Oberst a.D. der Schweizer Armee, der weitaus mehr Kenntnisse hat, was den Krieg in der Ukraine anbelangt, und vielmehr versteht von militärischen Fragen als Herr Keupp könnte und sollte mit einem Lehrauftrag an der Militärakademie der ETH betraut werden.
Eine realistische Beurteilung des Verlaufs des Krieges in der Ukraine führt zum Schluss, dass die ukrainische Armee die russische Armee weder aus dem Donbass mit seiner mehrheitlich russischen Bevölkerung noch gar aus der Krim mit einer nahezu ausschliesslichen russischen Bevölkerung vertreiben kann. Weitere Waffenlieferungen führen zwar zu einer Verlängerung des Krieges mit noch mehr Toten und Schwerverwundeten und noch mehr Zerstörung und Verwüstung, aber einen Sieg der ukrainischen Armee im Sinne des Selenski-Dekrets werden sie nicht zur Folge haben.
Das Selenski-Dekret, dass keine Verhandlungen mit Russland geführt werden dürfen, solange noch ein russischer Soldat auf ukrainischem Boden steht (einschliesslich der Krim), muss aufgehoben werden, damit ohne weiteren Verzug Verhandlungen über die Beendigung des Krieges aufgenommen werden können.
* Stefan Hofer, geboren im Jahr 1948, ist Schweizer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Basel. Er hat in Basel während 40 Jahren als Rechtsanwalt gearbeitet. Seit einigen Jahren ist er im Ruhestand. |