Schrumpft die UBS klein!
Kritische Anmerkungen zur schweizerischen Mega-Bank
von René Zeyer*
(22. November 2024) Viel spricht dafür, etwas dagegen: die Grossmannssucht des Duos Colm Kelleher/Sergio Ermotti. Oder machen die Zwei aus dem Staat Gurkensalat? Die UBS ist nach der Einverleibung der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis eine Monsterbank geworden. Sie ist nicht nur «much too big to fail». Mit ihrer Bilanzsumme, die doppelt so gross wie das Schweizer BIP ist, stellt sie die grösste Gefahr für die Existenz der Eidgenossenschaft seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Offensichtlich herrscht in der Chefetage keinerlei Bewusstsein für dieses Problem – oder es wird wissentlich ignoriert.
Alleine schon ihre Quasi-Monopolstellung bei vielen Bankgeschäften müsste die Wettbewerbskommission (Weko) auf den Plan rufen. Man rief sie, aber der eidgenössische Kontrolleur wurde auf Geheiss des Bundesrats von der Bankenaufsicht Finma zurückgepfiffen. Schon dieser Vorgang zeigt, dass hier eine Wucherung entstanden ist, die zurückgestutzt werden muss. Aber es gibt noch mehr gute Gründe dafür.
Da ist mal das asymmetrische Gewinn-Verlustpotenzial. Weiteres Wachstum der UBS kann (und darf) nur im Ausland erfolgen. Eventuelle Gewinne werden dort anfallen und auch dort versteuert werden (durch die jeweiligen Töchter). In der Schweiz kommt davon steuerlich nichts oder praktisch nichts an (Holdingprivileg usw.). Profit Schweiz – null.
Ganz anders sieht es aber aus, wenn bei einer dieser Töchter etwas passiert, was im modernen Banking und bei der Vorgeschichte der UBS leicht vorstellbar ist. Wenn es sich um einen gravierenden Verlust handelt, muss dieser aus der Schweiz abgedeckt werden (und schmälert gleichzeitig den steuerlichen Gewinn hierzulande). Denn die UBS wird es sich nicht erlauben können, eine ausländische Tochter einfach hops gehen zu lassen. Risiko Schweiz – exorbitant.
Neben dieser Asymmetrie gibt es zudem ein limitiertes Gewinnpotenzial im Verhältnis zum Verlustrisiko. Denn beides wächst nicht parallel. Hat eine Bank der Grösse X (beispielsweise die UBS vor der Fusion) ein katastrophales Verlustrisiko Y, dann hat eine Bank der doppelten Grösse ein katastrophales Verlustrisiko von 3Y oder 4Y. Die Geschichte ist voll von Banken, die zu schnell wuchsen und dann pleite gingen. Das wäre auch schon mal der UBS passiert, wenn sie nicht vom Staat gerettet worden wäre. Oder hat man schon vergessen, wie schnell nach der Fusion von UBS und SBV die neue Bank ins Schleudern geriet und der Staat ihr unter die Arme greifen musste?
Die Geschichte ist voll von Banken, die ihre Risiken nicht im Griff haben. Im Steuerstreit mit den USA stand die UBS ein zweites Mal vor dem Abgrund, weil sie ihre Risiken nicht im Griff hatte. Weil der Staat selbst einige Milliarden ins Feuer gestellt hatte, musste er sie ein zweites Mal retten: Diesmal mit der Aufgabe des Bankgeheimnisses und Schäden für den Finanzplatz Schweiz durch Bussen in Milliardenhöhe.
Die Verlautbarungen der aktuellen Führungscrew zeigen, dass sie diesen Gefahren und Problemen gegenüber völlig uneinsichtig ist. Sie ignoriert auch ihre eigene, nicht gerade ruhmreiche Vergangenheit. Der überüppig bezahlte CEO beschwert sich sogar öffentlich darüber, dass die UBS angeblich vom Retter zum Problem heruntergestuft worden sei, was für eine Ungerechtigkeit. Dabei war und ist die Monsterbank eine Problembank. Eine gefährliche obendrein.
Nur eine überforderte Finanzministerin und ein schon wieder auf Notrecht zurückgreifender Bundesrat hatte damals die UBS als Retter gesehen. Und ihr noch ein Geschenk von 16 Milliarden Franken durch den Totalabschreiber der AT1-Bonds der CS reingesteckt. Die Schäden, die hier durch Staatshaftung entstehen werden, da weltweit Hunderte von Schadenersatzforderungen hängig sind, werden dem Steuerzahler einen Vorgeschmack darauf geben, was passiert, wenn die UBS selbst in ernsthafte Schwierigkeiten gerät.
Die Notschlachtung der CS hat gezeigt, dass die grossartigen Abwicklungsreglemente im Krisenfall für eine international tätige Grossbank nicht funktionieren. Durch welches Wunder sollten sie dann bei einer fast doppelt so grossen internationalen Grossbank funktionieren? Vielleicht sollte man den beleidigten Ermotti daran erinnern, dass die United Bank of Switzerland (so sollte sie zuerst heissen) erst 1998 das Licht der Welt erblickte. Und in den wenigen Jahren ihrer Existenz schon zweimal vor dem Lichterlöschen stand. Und das soll eine Garantie dafür sein, dass es nicht ein drittes Mal vorkommt?
Die UBS ist nicht nur «Too big», sie ist auch «Too big to save». Ihre mögliche Rettung würde die SNB, würde den Schweizer Staat an seine Belastungsgrenze bringen – und möglicherweise darüber hinaus. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand. Die UBS muss dringend schrumpfen. Das Risiko, das von ihr ausgeht, ist definitiv zu gross, ihm steht kein adäquater Mehrwert gegenüber.
Auch das Argument, sie sei für den Finanzplatz Schweiz vonnöten, funktioniert schon länger nicht mehr. Einen solchen Finanzplatz gibt es gar nicht mehr, da ist die Schweiz international unter ferner liefen, auf dem 14 Platz oder noch weiter hinten. Ausser in der Vermögensverwaltung, aber dafür braucht es keine Monsterbank wie die UBS, deren weiter geplante Expansion nur im Ausland stattfinden kann, wovon die Schweiz hat keinen Gewinn, aber viel Risiko hat.
Eine halb so grosse UBS wie heute diente der Schweiz genauso, bei deutlich kleinerem Risiko. Was sollte eine noch grössere UBS, die der Schweiz steuerlich nichts bringt – dabei aber das Risiko für den Schweizer Steuerzahler massiv vergrössert? Die Frage stellen, heisst sie beantworten.
Bezüglich Arbeitsplätze kommt es in der Schweiz sowieso zu einer deutlichen Schrumpfung, die schon begonnen hat. Auch hier würden neue Stellen nur im Ausland geschaffen werden. Schliesslich, die angebliche Wichtigkeit des Finanzsektors für die Schweiz. Selbst wenn man zu den Banken noch Versicherungen und Pensionskassen dazuzählt, macht dieser Sektor schlappe 9 Prozent des BIP aus.
Hier entsteht eine Bruttowertschöpfung von rund 40 Milliarden Franken im Jahr, weniger als ein Zwanzigstel des BIP. Bei gleichzeitig enormem Risiko. Die UBS ist sozusagen der Tschernobyl-Reaktor auf dem Finanzplatz. Die Schweiz könnte auch ohne.
Wie lässt sich das Schrumpfen am einfachsten und effizientesten erreichen? Indem gegen das Gezeter der expansionswilligen und uneinsichtigen Führungscrew der UBS deren Eigenkapital massiv aufgestockt wird. Nicht etwa um läppische 20 Milliarden. Sondern auf mindestens 10, besser 15, noch besser 20 Prozent Eigenkapitalquote. Das hat nur Vorteile. Es gibt einen besseren Risikopuffer. Die implizite Staatsgarantie, also die Haftung des Steuerzahlers, würde deutlich zurückgeschraubt.
Als eine der bestkapitalisierten Banken der Welt wäre die UBS als Vermögensverwalter noch attraktiver. Und sie müsste sich wohl von Auslandstöchtern trennen; fort mit potenziellem Schaden, fort mit Risikopotenzial. Dagegen spricht neben dem Ego der Bankenlenker und deren Bonusgier … nichts.
* René Zeyer (1955) ist Publizist, Bestsellerautor («Bank, Banker, Bankrott») und Kommunikationsberater. Er lebt in Zürich und Havanna. |
Quelle: https://insideparadeplatz.ch/2024/08/02/schrumpft-die-ubs/, 2. August 2024