Das Sandkorn

Keine Demokratie ohne Vertrauen, kein Vertrauen ohne Aufrichtigkeit

von Suzette Sandoz,* Schweiz

(9. Januar 2023) Die Demokratie befindet sich in einer Krise. Die zunehmende Gewalt in der Gesellschaft ist ein klares Indiz dafür. Während die Leichtigkeit, mit der sich gewalttätige Bewegungen entwickeln können, den sozialen Netzwerken zuzuschreiben ist, wird die zunehmende Zahl dieser Bewegungen eher durch das wachsende Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Behörden und «denjenigen, die offiziell Bescheid wissen», verursacht.

Dieses Misstrauen hat, wie mir scheint, zwei Hauptursachen:

Die Zunahme von angeblichen «Fake News»

Die Presse ist nicht mehr die Informationsquelle, sondern die sozialen Netzwerke. Jedes Mal, wenn eine Nachricht in sozialen Netzwerken auftaucht, wird sie von denjenigen, denen sie missfällt, als Fake News bezeichnet. Diese Gewohnheit führt dazu, dass man nicht mehr weiss, was man von den vielen Falschmeldungen halten soll. Man ist immer versucht, das zu glauben, was am besten zu den eigenen Vorstellungen passt, aber das ist natürlich keine Garantie für die Richtigkeit.

Die Folge: Niemand glaubt mehr irgendjemandem oder irgendetwas, oder aber, um sich selbst zu beruhigen, verwechseln manche Menschen Informationen mit Religion, und der gewalttätige Fanatismus hat noch viele gute Tage vor sich.

Fehlende Aufrichtigkeit

Aufrichtigkeit verlangt, dass man die Dinge sagt und nicht verschweigt, und dass man, wenn man sie sagt, die Wahrheit sagt. In dieser Hinsicht ist die derzeitige Situation katastrophal.

Sowohl beim Ukraine-Krieg als auch bei der Pandemie

Seit den 2020er-Jahren werden die Bürger/Behörden/Patienten vor ein trostloses und soziale Spannungen verursachendes Phänomen gestellt: die Einseitigkeit der Information und das Schweigen.

Einseitigkeit im russisch-ukrainischen Krieg, weil dieser mit einem Kampf des Guten (Freiheit und Demokratie = Ukraine), gegen das Böse (politische Unterwerfung und Diktatur = Russland) gleichgesetzt wird. Die Geschichte ist jedoch viel komplexer und es ist die Unkenntnis der Geschichte, die Friedensverträge lähmt und die Zukunft vergiftet.

Einseitigkeit während der Pandemie, als jeder Wissenschaftler oder Arzt, der einen anderen Ansatz für die Probleme oder eine andere Lösung vorschlagen wollte als die von der offiziellen Seite gepredigten (oft ohne wirkliche Rechtsgrundlage, bei uns z. B. die «Task Force»), lächerlich gemacht, degradiert oder der Möglichkeit beraubt wurde, sich öffentlich Gehör zu verschaffen.

Schweigen im russisch-ukrainischen Krieg, z. B. über den Fortgang der Ermittlungen im Zusammenhang mit den Sabotageakten an der Gaspipeline. Gibt es Fortschritte bei den Ermittlungen? Wurden sie abgeschlossen? Wurden sie eingestellt? Warum herrscht Schweigen?

Schweigen nach der Pandemie über den Bericht zum Abschluss der Phase 3 der Impfstoffe (insbesondere Pfizer und Moderna), über die genauen Anweisungen an die Geimpften (oder das Fehlen solcher Anweisungen), an die Impfenden und an die Ärzteschaft, um eine klare und genaue Überwachung der möglichen Nebenwirkungen der Impfstoffe in der Testphase zu gewährleisten. Schweigen über die professionelle Nachsorge der Geimpften selbst, über die Gründe der Geimpften (z. B. welche Rolle spielte die Information über den Schutz des Impfstoffs vor dem Risiko, sich anzustecken und die Krankheit zu übertragen, bei der Entscheidung, sich impfen zu lassen?).

Wenn das Schweigen gebrochen oder die Einseitigkeit nach einer zu langen Wartezeit aufgehoben wird, kann das Vertrauen nur nach Vergeltung oder einer Hexenjagd aufgrund des erlittenen und nicht anerkannten Leids wiederhergestellt werden. Diese Welle hasserfüllter Gewalt ist verheerend. Möge unser Land davon verschont bleiben! Dazu müssen wir jedoch Wiedergutmachung leisten, das Schweigen brechen und offiziell die Wahrheit sagen. Und zwar schnell!

Die Demokratie kann davon nur profitieren.

* Suzette Sandoz ist 1942 geboren. Sie ist Honorarprofessorin für Familien- und Erbrecht, ehemalige Abgeordnete des Grossen Rates des Kantons Waadt und ehemalige Nationalrätin.

Quelle: https://blogs.letemps.ch/suzette-sandoz/2023/01/03/1324, 3. Januar 2023

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt«)

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