«Diese Machtkonzentration ist gefährlich»

Bundesrat Ueli Maurer im Gespräch mit Bürgern auf der Bundesrats-
reise 2015 (Bild keystone/EQ Images/Pascal Muller)

Auszüge aus Bundesrat Ueli Maurers Rede vom 12. September 2021 in Wald ZH zu den Stichworten «Moral», «Macht», «Experten», «Respekt» und «Grundwerte»

(27. Oktober 2021) Red. Was hat man in letzter Zeit über Bundesrat Ueli Maurer erfahren? Für viel Aufregung in den Schweizer Medien sorgte sein Tragen eines weissen T-Shirts mit einem «Freiheitstrychler»-Aufdruck.1 Seine Rede anlässlich einer Bürgerversammlung im Zürcher Oberland2 fand jedoch nur wenig Echo in den Medien. Deshalb dokumentiert der «Schweizer Standpunkt» einige zentrale Aussagen seiner in Schweizerdeutsch gehaltenen Ausführungen.

Bundesrat Ueli Maurer warnte vor den Gefahren einer Machtkonzentration in Bern und vor einem «Moralisieren», das zur Spaltung der Gesellschaft führe.

Genauso, wie man beobachten könne, dass Brüssel immer mehr Macht von den Mitgliedsstaaten an sich reisse, könne Ähnliches auch in der Schweiz festgestellt werden. Dabei brachte Maurer natürlich die Covid-19-Regeln zur Sprache. Er wies darauf hin, dass nicht gewählte «Experten» das Zepter führten: «Diese Machtkonzentration und dieses Macht-an-sich-nehmen hat in letzter Zeit nochmals massiv zugenommen, wenn wir an alle Massnahmen denken, die jetzt in Bern beschlossen werden. Da ist eine Handvoll Experten, von niemandem gewählt – das sind sicher gescheite Leute, die haben sicher ihren Blickwinkel – aber sie ziehen die Macht an sich. Sie können zur Zeit sagen, was gut ist, was moralisch gut ist und was schlecht ist. Diese Machtkonzentration, die stattfindet, ist ganz, ganz gefährlich».

An dieser Stelle sei bemerkt, dass dieses «Macht-an-sich-nehmen» kein passiver Vorgang und die Auswahl der «Experten» kein Zufall sind. Entscheidend bleibt das Bundesratskollegium selbst.

Freude an der Macht

Denkt man die von Bundesrat Maurer angesprochenen Probleme weiter, so steht dahinter eine Grundproblematik, wie sie in jeder Demokratie vorkommen kann, ein möglicher «Take off» der Regierung. Gemeint ist, dass die Exekutive sich nicht mehr ihren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet fühlt. Ist dies der Fall, bekommen andere Kräfte Einfluss auf das Regierungshandeln. Das Streben nach Macht, nach immer mehr Macht, verknüpft mit dem Gefühl, es besser zu können, besser informiert zu sein und eigentlich allein entscheiden zu können, ist ein Grundproblem jeder Delegation von Macht. Es braucht Streuung und Verteilung von Macht; sie muss gebrochen werden: «Check and Balance», Kontrolle durch das Volk, sonst ist der fatale Schritt zur Elitenherrschaft nur kurz.

Maurer weist selbstkritisch darauf hin, dass der Bundesrat den «Experten» Macht abgegeben hat, bzw. an dem Machtzuwachs teilnimmt. Zitat: «Der Bundesrat spielt da mit. Der Bundesrat hat auch Freude bekommen an der Macht. Ich sage das jetzt selbstkritisch: ‹Jetzt können wir einmal sagen, wo Gott hockt›, ist so ein wenig die Tendenz. Und in dieser Tendenz, Macht an sich zu nehmen, hat der Bundesrat Gesetze und Verordnungen [zu Covid] geschrieben, in denen detailliert gesagt wird, wie Mann und Frau sich zu benehmen oder nicht zu benehmen hat. Schaut man den Detaillierungsgrad der aktuellen Gesetzgebung an, dann spürt man, wie die Freude an der Macht plötzlich gekommen ist. Man sieht dies auch bei den Auftritten in den Medien. Man fühlt sich jetzt als diejenigen, die das Sagen haben, die die Macht haben, die moralisch besser sind. Das kommt da heraus. Und die Machtkonzentration ist gefährlich».

Man muss es als bezeichnend für Ueli Maurers Verbundenheit mit dem Land und der Bevölkerung beschreiben, dass er über seine Rolle als Bundesrat nachdenkt und einen nicht ungefährlichen politischen Ablauf reflektiert. – Es wäre zu wünschen, dass politische Entscheidungsträger ihre eigene Rolle öfters selbstkritisch reflektierten.

Gegengewicht gegen Machtkonzentration

Maurer ruft zur Gegenkraft, zum Gegengewicht auf, um die ungesunde Machtkonzentration wieder in ihre Schranken zu weisen: «Wenn es ein Gegengewicht gibt, das sich gegen diese Machtkonzentration wehrt, dann kann man das stoppen oder verhindern. Und in dieser Machtkonzentration – die jetzt gerade besonders deutlich ist, aber eigentlich schon länger zum Ausdruck kommt – steckt auch eine gewisse Resignation der Bevölkerung. Oder es geht uns zu gut und wir kümmern uns nicht darum. Und wenn wir uns nicht ums Wohl unseres Landes kümmern, dann tun es die andern, diejenigen, die an der Macht sind, die übernehmen es dann.» Als erfolgreiche Abwehr solcher Machtkonzentration bezeichnet Maurer die Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Volk, das dem Staatsapparat und dem Bundesrat eine ungeheure Macht in die Hände gespielt hätte. Gleichzeitig umreisst er Gründe für eine schwache Gegenkraft: Resignation, mangelndes Interesse aus Wohlergehen. Dass dieses Vakuum gefüllt wird, liegt auf der Hand.

Respekt voreinander

In der Corona-Frage thematisiert Bundesrat Maurer das «Moralisieren», d.h. dass sich eine Position für besser erklärt und sich im Recht fühlt, um dem Rest vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten habe. Dies weist er zurück und stellt dem einen respektvollen Umgang gegenüber: «Also, heisst es eigentlich für uns alle, wir gehen mit Respekt voreinander um. Wir akzeptieren die andere Meinung und lassen jeden leben und versuchen im persönlichen Kontakt, wo auch immer, auf die andere Meinung oder auch das andere Verhalten Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, das ist eine Herausforderung, welche nur die Bevölkerung lösen kann.»

«Wir haben Intensivbetten abgebaut»

Einen Fehlentscheid sieht Maurer in der durch die falsche Intensivbettenpolitik herbeigeführten Zertifikatspflicht: «Im gesundheitspolitischen Teil bin ich der Meinung, haben der Bundesrat und die Behörden versagt. Wenn man an den letztjährigen Lockdown zurückdenkt, da haben wir zwölf- bis dreizehnhundert Intensivbetten gehabt. […] Jetzt sind es noch etwa achthundert. Ja, Herrgott noch einmal, vor einem Jahr haben wir den Lockdown beschlossen, weil wir zu wenig Intensivbetten gehabt haben. Wir haben gesagt, man muss die Leute zu Hause lassen, damit das Spitalwesen nicht überlastet wird. Und was haben wir getan? Wir haben Intensivbetten abgebaut. In jedem normalen Fall hätte man Intensivbetten auf Reserve stellen müssen, um nicht in die Situation zu kommen.»

Führungskrise – im Gesundheitswesen versagt

«Und wenn man von einer Coronakrise spricht, dann muss man auch von einer Führungskrise sprechen. Eine Führung, die im Gesundheitswesen versagt hat, man kann es nicht anders sagen. Ich schliesse mich selber auch mit ein. […] Und im Gesundheitswesen, muss man sagen, hat man es verpasst, die richtigen Massnahmen zu treffen, um auf nächste Entwicklungen vorbereitet zu sein. Und jetzt sind wir in dieser Situation vom Zertifikat, weil wir es verpasst haben, Betten zur Verfügung zu stellen. Wir haben das Gegenteil gemacht, wir haben Intensivbetten abgebaut…»

Offen bleibt, welche Momente und Interessen zu diesen Fehlentscheidungen geführt haben. Warum wurden keine Anstrengungen unternommen, mehr Intensivbetten in Reserve zu haben? Haben Lobbys oder «Experten» ihren Einfluss geltend machen können?

«Eine Herausforderung, welche nur die Bevölkerung lösen kann»

Für die kommenden Monate warnt Bundesrat Maurer vor einer Zuspitzung der Situation und appelliert: «Also, heisst es eigentlich für uns alle, wir gehen mit Respekt voreinander um. Wir akzeptieren die andere Meinung und lassen jeden leben und versuchen im persönlichen Kontakt, wo auch immer, auf die andere Meinung, Rücksicht zu nehmen oder auch im Verhalten. Ich glaube, das ist eine Herausforderung, welche nur die Bevölkerung lösen kann. […] Wir könnten auch ein Beispiel geben miteinander, dass man mit dem umgehen kann und dass man mit dem leben kann. Aber es braucht immer das Gegengewicht zur Macht, das Gegengewicht zum Moralisieren. Moral und Moralisieren ist nicht dasselbe. Und ich glaube in der Gesellschaft, die jetzt so etwas abgehoben ist und irgendwo so von Experten geführt wird, ist es ganz wichtig, dass die Leute sich einbringen. Weil, ich sage immer, wir haben zwar Experten über irgendetwas, aber die Experten vom Leben, das seid ihr.»

Dass manche «Experten» nicht interessenfrei handeln, ist allgemein bekannt. Gerade wenn Experten «beraten», werden Interessenskonflikte politisch hochbrisant. In Corona-Zeiten, in denen die engen personellen Verflechtungen zwischen «Big-Pharma» und Politik geradezu greifbar werden, wirkt es befremdlich, wenn so wenig über die «Experten» bekannt wird und Bundesrat und Behörden geradezu im politischen Blindflug nur einseitig Expertisen einholen.

«Wir müssen verhindern, dass die Macht konzentriert wird»

Dass das Thema Corona nicht nur ein medizinisches ist, sondern dass dahinter Fragen grundsätzlicher Art stehen, nämlich wie wir zusammenleben wollen, ist für Bundesrat Ueli Maurer klar: «Es geht in der Schweiz immer um die Grundwerte, die unsere Werte sind in der Verfassung: die Meinungsfreiheit, das Recht auf eine eigene Meinung, sich frei bewegen können, gegen Moralisierung. In diesem Land ist niemand besser als der andere. Alle sind gleich. Und wir müssen verhindern, dass die Macht konzentriert wird, und das können wir nur, wenn wir uns dagegen wehren. Hinter dem Corona-Thema sind ganz viele Grundwerte unserer Gesellschaft drin. Für die nächsten paar Monate sind wir in einer Situation, die für alle in unserem Lande schwierig sein wird, ob man jetzt im Bundesrat ist oder hier am Tisch sitzt. Wir haben verschiedene Meinungen, die alle zu akzeptieren sind, alle sind zu akzeptieren und zu respektieren. Wir müssen immer wieder den Umgang finden, wie wir es machen miteinander.»

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass ein Bundesrat auch selbstkritisch Stellung nehmen kann. Danke, Herr Bundesrat Maurer.

1 Selbstbeschreibung der Freiheitstrychler: «Im Herbst 2020 traten die Freiheitstrychler erstmals in Erscheinung. Gegründet von einer Gruppe engagierter Urschweizer setzen wir uns mit Herz und Hand für unsere verfassungsmässigen Rechte ein.» vgl. https://freiheitstrychler.ch/
Beim Trychlen erzeugen die Trychler durch Bewegen (häufig im Gehen) von grossen Metallglocken rhythmische Klänge.

2 Eine Videoaufnahme der Rede befindet sich unter: https://www.bitchute.com/video/Iyv5aPq9AlQb/ veröffentlicht am 13. September 2021

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