Werden die Nato-Mitgliedstaaten einzeln oder gemeinsam gegen Russland in den Krieg ziehen?

Leitartikel von «Voltaire» Aktualitäten Nr. 89 vom 31. Mai 2024

(7. Juni 2024) (CH-S) Die aktuelle vom «Werte-Westen» eskalierte Situation gegenüber Russland wird im Editorial der von Thierry Meyssan herausgegebenen Mitteilungen «Voltaire. Actualité internationale» kurz zusammengefasst.

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Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte, dass sein Land die Stationierung des Nato-Raketenabwehrsystems in der Ukraine ablehne.

Die deutsche Sichtweise deckt sich mit der von Jens Stoltenberg, dem Generalsekretär des Bündnisses. In einem Interview mit dem Economist1 sagte er: «Es ist an der Zeit, dass die Verbündeten darüber nachdenken, ob sie einige der Beschränkungen für den Einsatz von Waffen, die der Ukraine gegeben wurden, aufheben sollten. […] Besonders jetzt, da viele Kämpfe in Charkow nahe der Grenze stattfinden, macht es die Verteidigung der Ukraine sehr schwierig, wenn ihr die Möglichkeit verwehrt wird, diese Waffen gegen legitime militärische Ziele auf russischem Territorium einzusetzen.» Er sagte auch: «Wir haben nicht die Absicht, Nato-Bodentruppen in die Ukraine zu schicken, weil wir […] zwei Ziele verfolgen: die Ukraine zu unterstützen, wie wir es tun, aber auch sicherzustellen, dass es nicht zu einem grossen Konflikt kommt.»

Die New York Times berichtet, dass Aussenminister Antony Blinken diesen zweiten Vorschlag befürworte. Steffen Hebestreit wich den Fragen der Journalisten zu diesem Thema aus.

(Ergänzung des Leitartiklers: Den Schutz des atlantischen Raketenabwehrschildes auf das ukrainische Territorium auszudehnen, würde bedeuten, kollektiv gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Aber der Ukraine zu erlauben, Russland mit Waffen anzugreifen, die von Nato-Mitgliedern geliefert werden, würde bedeuten, dass sie einzeln gegen Russland in den Krieg ziehen.)

Der stellvertretende italienische Premierminister Matteo Salvini kommentierte: «Dieser Herr [Jens Stoltenberg] ist gefährlich, denn von einem Dritten Weltkrieg zu sprechen, von westlichen Waffen, die innerhalb Russlands zuschlagen und töten können, erscheint mir sehr, sehr gefährlich und unvorsichtig. [...] Die Nato kann uns nicht zwingen, in Russland zu töten, und niemand kann uns zwingen, italienische Soldaten zum Kämpfen oder Sterben in die Ukraine zu schicken.»

Der russische Präsident Wladimir Putin antwortete Journalisten: «Diese ständige Eskalation kann zu schwerwiegenden Konsequenzen führen. Wenn diese schwerwiegenden Folgen in Europa eintreten, wie werden sich die USA angesichts unserer Parität im Bereich der strategischen Waffen verhalten? Das ist schwer zu sagen. Wollen sie einen globalen Konflikt?» […] «Sie [die europäischen Nato-Mitglieder] sollten sich daran erinnern, dass ihr Territorium klein und ihre Bevölkerung dicht ist», fuhr er fort.

Senator Dmitri Rogosin, der ehemalige Direktor von Roskosmos, warnte Washington direkt: «Wir stehen nicht nur an der Schwelle, sondern bereits am Rand, jenseits derer, wenn der Feind nicht von solchen Aktionen abgehalten wird, ein unumkehrbarer Zusammenbruch der strategischen Sicherheit der Atommächte beginnen wird.»

Aller Wahrscheinlichkeit nach sollte Polen als erster Nato-Mitgliedstaat der Ukraine erlauben, Russland mit den von ihr gelieferten Waffen anzugreifen. Moskau müsste dann zurückschlagen, indem es zumindest das Logistikzentrum der Nato auf polnischem Hoheitsgebiet in Rzeszów trifft. Es wäre dann Sache der anderen Nato-Mitgliedstaaten, zu überlegen, ob sie Artikel 5 des Nordatlantikvertrags aktivieren und den Dritten Weltkrieg auslösen sollten oder nicht.

Aus strategischer Sicht setzt die Stationierung von Mittelstreckenraketen an den Grenzen Russlands und Chinas durch die USA die europäischen Nato-Mitgliedländer dieser Möglichkeit aus. Aus diesem Grund gab der russische Aussenminister Sergei Lawrow bekannt, dass die beiden Länder während des letzten Besuchs von Präsident Wladimir Putin in Peking ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen geschlossen haben. Darüber hinaus führt Russland derzeit mit Weissrussland Simulationen des Einsatzes taktischer (nicht strategischer) Atomwaffen durch.

Quelle: https://news.voltairenet.org/IMG/pdf/. Actualité internationale 20240531_voltaire_89_fr_s_p.pdf; 31. Mai 2024

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.economist.com/europe/2024/05/24/natos-boss-wants-to-free-ukraine-to-strike-hard-inside-russia

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