Wahlen in Venezuela

Während US-Politiker von Betrug sprechen, bestätigen amerikanische Wahlbeobachter die Resultate

von Alan MacLeod,*

(9. August 2024) Sehr zum Leidwesen der US-Regierung gewann der sozialistische Kandidat Nicolas Maduro am Sonntag [28. Juli] eine dritte Amtszeit in Folge und schlug seine von den USA unterstützten Gegner Edmundo Gonzalez und Maria Corina Machado mit sieben Punkten Vorsprung.

Alan MacLeod.
(Bild zvg)

Fast unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse begannen amerikanische Regierungsvertreter, die Wahlen als Farce zu verunglimpfen. «Wir loben [das venezolanische Volk] für seinen Mut und sein Engagement für die Demokratie angesichts der Unterdrückung», sagte Aussenminister Anthony Blinken in einer Rede am Sonntagabend und fügte hinzu:

«Wir haben ernsthafte Bedenken, dass das bekannt gegebene Ergebnis nicht den Willen oder die Stimmen des venezolanischen Volkes widerspiegelt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jede Stimme fair und transparent gezählt wird. Dass die Wahlbeamten Informationen unverzüglich und ohne Verzögerung an die Opposition und unabhängige Beobachter weitergeben und dass die Wahlbehörden die detaillierte Aufschlüsselung der Stimmen veröffentlichen. Die internationale Gemeinschaft beobachtet dies sehr genau und wird entsprechend reagieren.»

Senator Marco Rubio, ein langjähriger Venezuela-Falke, ging noch weiter und erklärte:1

«Jeder weiss, dass eine massive Wahlbeteiligung wie heute in Venezuela zu einer massiven Niederlage Maduros führen wird. Die EINZIGE Möglichkeit, wie er gewinnen könnte, ist durch massiven Betrug.»

Er fuhr fort, dass Nicolas Maduro mit 40 Punkten hätte verlieren müssen und sofort einen Kommunikations-Blackout im ganzen Land verhängen würde, um seine Herrschaft zu zementieren (was nicht geschehen ist).

Aussagen wie diese stehen in völligem Gegensatz zu den Berichten und Aussagen von Dutzenden amerikanischer Wahlbeobachter in Venezuela, von denen viele mit MintPress News sprachen.

«Ich stimme Marco Rubio nicht zu», sagte Wyatt Souers, ein Vertreter der International People's Assembly, und erklärte:

«Die USA haben versucht, die Legitimität praktisch jeder venezolanischen Wahl in jüngster Zeit zu destabilisieren und zu untergraben. Vor der Wahl veröffentlichen sie immer wieder Erklärungen und Medienbeiträge, in denen sie die Wahl zum Betrug erklären, noch bevor sie überhaupt stattgefunden hat. Aber was wir diese Woche erlebt haben, ist eine enorme Unterstützung der Maduro-Regierung durch die Menschen hier.»

Souers besuchte mehrere Wahllokale im Grossraum Caracas und stellte fest, dass die Wahlbeteiligung «massiv» war und sich zu jedem Zeitpunkt Hunderte von Menschen in den Wahllokalen aufhielten.

«Wir hatten überall Zugang und konnten uns den Wahlvorgang ansehen. Alles verlief nach Protokoll. Daher kann ich sagen, diese Wahlen scheinen rechtmässig zu sein, und wir unterstützen uneingeschränkt das Recht des venezolanischen Volkes, seine eigene Zukunft zu bestimmen.»

Roger D. Harris, ein Beobachter der Task Force on the Americas, verbrachte den Tag damit, Wahllokale im Bundesstaat Miranda zu beobachten. Er und andere berichteten MintPress, dass Anhänger der Opposition ihre Sympathien gerne öffentlich kundtaten und ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zum Ausdruck brachten. Trotz ihrer Ablehnung des Sozialismus vertrauten die meisten weiterhin dem Wahlsystem. Harris sagte:

«Ich habe mit einer Person gesprochen, die gegen Maduro stimmte, einer Fachkraft, die in San Francisco Psychologie studiert hat. Sie hoffte auf Veränderung. Aber was entscheidend war, ist, dass sie zum Ausdruck brachte, dass der Wahlprozess frei und fair sei. Insgesamt hatten wir bei unserem Besuch in den verschiedenen Wahllokalen den Eindruck, dass die Menschen uns internationale Beobachter sehr willkommen hiessen und stolz darauf waren, dort zu sein und für ihr Land zu stimmen.»

Im Wahllokal in der Schule Manuel Palacios Fajardo im Viertel 23 de
Enero in Caracas. (QUELLE: CIRA PASCUAL MARQUINA/VA)

Kein Vergleich mit den USA

Viele US-Beobachter, die mit MintPress sprachen, lobten das venezolanische System im Vergleich zu ihrem eigenen.

«Ich bin wirklich überwältigt, wie fortschrittlich dieses System ist, insbesondere im Vergleich zur Rückständigkeit der USA, und ich bin sehr beeindruckt», sagte Jodi Dean, Professorin und Politikwissenschaftlerin.

«Wir haben mehrere Wahllokale besucht und keine Unregelmässigkeiten oder Anzeichen für Betrug oder Unrechtmässigkeit festgestellt. Der Wahlvorgang ist hier viel strenger als in den Vereinigten Staaten», sagte Souers gegenüber MintPress. «Sie haben hier ein sehr gutes Verfahren.»

Elizabeth Burley, eine Vertreterin der Unión de Vecinos, einer Mietervereinigung in Los Angeles, verbrachte den Wahltag damit, die Stimmabgabe im Bundesstaat La Guaira zu überwachen, und stellte eine Reihe von überlegenen Merkmalen der venezolanischen Demokratie fest, einschliesslich der Tatsache, dass das Wahlsystem automatisiert und in allen Ortschaften völlig einheitlich ist.

Ausserdem, so Burley, finden Wahlen in Venezuela am Sonntag statt und nicht wie in den USA unter der Woche, sodass mehr Menschen daran teilnehmen können. Burley merkte an, dass sie die Wahllokale betreten und alles beobachten konnte und dass sowohl Regierungs- als auch Oppositionsparteien-Vertreter anwesend waren. Abgesehen von einigen verbalen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Wählern verliefen gemäss Burley die Ereignisse ruhig.

MintPress wurde jedoch Zeuge einer Menschenmenge von über 100 Anhängern der Opposition, die um 18 Uhr in einem Wahllokal im Zentrum von Caracas eintraf und versuchte, die Wahllokale dazu zu zwingen, ganz pünktlich zu schliessen. Die Menge versuchte, Zuspätkommende an der Stimmabgabe zu hindern, jedoch ohne Erfolg. Ein Anhänger der Opposition, der die Tür blockierte, sagte:

«Niemandem sollte es erlaubt sein, zu wählen, es sei denn, er ist auf unserer Seite.»

Medien untergraben einen vertrauenswürdigen Prozess

Westliche Medien schienen ebenso erpicht darauf zu sein wie die US-Regierung, die Wahlen in Venezuela zu untergraben und politischen Unfrieden zu stiften.

«Venezuelas Autokrat wird zum Sieger einer manipulierten Wahl erklärt», lautete die Schlagzeile der New York Times. Die BBC beschrieb Maduros Siegesfeier als «choreografiert», was darauf hindeutet soll, dass er keine breite Unterstützung geniesst.

Elon Musk, der milliardenschwere Eigentümer von X/Twitter, hat einen Aufruf des rechtsextremen argentinischen Politikers Javier Milei an das venezolanische Militär, einen Putsch gegen Maduro zu inszenieren weiter getweetet. «Schande über Diktator Maduro», sagte Musk.

Auch in den sozialen Medien gibt es zahlreiche Falschmeldungen, wie Bilder von Dieben, die angeblich Wahlurnen voller Stimmzettel stehlen. Was in diesen Videos jedoch deutlich zu sehen ist, sind Menschen, die grosse Klimaanlagen abtransportieren. Wahlurnen in Venezuela bestehen aus braunem Karton und sind kaum grösser als ein Schuhkarton. Die riesigen weissen Geräte, die Diebe im Video mit sich schleppen, haben keinerlei Ähnlichkeit mit Wahlurnen.

Falschmeldungen, die angeblich den Hauptsitz des Nationalen Wahlrats (NEC, National Electoral Council) mit Bildschirmen zeigen, auf denen alle das «echte» Ergebnis (einen Sieg der Opposition) anzeigen, verbreiteten sich ebenso wie ein Screenshot einer TeleSUR-Infografik, in der fälschlicherweise angegeben wurde, dass drei kleinere Oppositionsparteien jeweils 4,6 Prozent der Stimmen erhalten hätten, anstatt zusammen. Dies bedeutete, dass die gesamte Abstimmung in der TeleSUR-Grafik 109 Prozent ergab.2

Dieser relativ geringfügige Fehler bei der Dateneingabe reichte aus, um das Bild weltweit zu verbreiten und angeblich einen gigantischen Betrug zu beweisen, obwohl die Quelle lediglich ein Fernsehsender und nicht der CNE selbst war.

In Wirklichkeit ist das venezolanische Wahlsystem vielleicht das fortschrittlichste der Welt. Um einen Stimmzettel abzugeben, müssen die Wähler ihren nationalen Personalausweis vorlegen. Ausserdem werden ihre Fingerabdrücke gescannt. Wenn sowohl der Personalausweis als auch der Fingerabdruck mit denen in der nationalen Datenbank übereinstimmen, können sie an einem elektronischen Touchscreen-Wahlgerät wählen. Die elektronische Stimme wird an den Hauptsitz der Nationalen Wahlkommission in Caracas gesendet und ein Papierstimmzettel wird gedruckt. Die Wähler müssen den Stimmzettel überprüfen und in eine Urne werfen. Anschliessend müssen sie ihren Daumen auf einen Tintenklecks legen und ihn neben ihrem Namen auf einer Wählerliste abstempeln, um zu beweisen, dass sie gewählt haben. Dann unterschreiben sie mit ihrem Namen neben dem Fingerabdruck.

Nach Schliessung der Wahllokale werden die Papierstimmzettel vor Zeugen aller Parteien ausgezählt und mit der elektronischen Stimmenauszählung verglichen. Bei Unstimmigkeiten wird eine vollständige Prüfung durchgeführt. Im Jahr 2013 lag die Genauigkeit der elektronischen Abstimmung bei 99,98 Prozent. Dies lag daran, dass in ganz Venezuela 22 Personen, die an den Maschinen gewählt hatten, ihren Papierwahlzettel nicht in die Urne warfen.

Im Jahr 2012 bezeichnete Präsident Jimmy Carter (dessen Carter Center regelmässig Wahlen weltweit überwacht) den venezolanischen Prozess als «den besten der Welt».

«Alles verlief so ruhig, dass es schon fast langweilig war», sagte Dean über den Wahlprozess und fügte hinzu:

«Die Menschen sind zufrieden und heissen Unmengen von Ausländern willkommen, die sich ansehen und erklären lassen, was sie tun, und das mit Geduld, Selbstvertrauen und echter Begeisterung für die Demokratie. Ich glaube, einer der Gründe für den Zynismus in den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Demokratie ist, dass die Menschen dem System nicht vertrauen. Und hier besteht ein Teil ihrer Begeisterung darin, dass sie viel Vertrauen in ihr System haben, dass ihre Stimme gehört wird.»

Ein wirtschaftlicher, politischer und psychologischer Krieg

Nicolas Maduro kam 2013 in einer ähnlich stark überwachten Wahl an die Macht. Die Ergebnisse wurden weltweit fast ausnahmslos bestätigt; die Vereinigten Staaten waren das einzige Land, das sich weigerte, seinen Sieg anzuerkennen.

Seit seinem Aufstieg zur Macht führt Washington einen unerbittlichen Wirtschaftskrieg gegen Venezuela, um seine Regierung zu ersticken. Gegen das Land sind derzeit über 900 US-Sanktionen verhängt. Die Auswirkungen sind verheerend:

Unter dem Druck der amerikanischen Blockade brach die Ölindustrie Venezuelas zusammen, wodurch das Land 99 Prozent seiner internationalen Einnahmen verlor. Unter Androhung sekundärer Sanktionen weigerten sich Länder und Unternehmen, mit Venezuela Handel zu treiben, was zu einer massiven Verknappung von Lebensmitteln und anderen notwendigen Gütern führte.

Ein Bericht,3 veröffentlicht vom Center for Economic and Policy Research, einem Thinktank in Washington, D.C., kam zu dem Schluss, dass die US-Blockade zwischen 2017 und 2018 mehr als 40 000 Menschenleben gefordert hat. Ein amerikanischer UN-Beamter, der das Land besuchte, beschrieb die Situation als «mittelalterliche Belagerung» und erklärte die USA für schuldig an Verbrechen gegen die Menschlichkeit.4

Der Wirtschaftskrieg spiegelt sich in einem politischen Krieg wider, da Washington versucht hat, Venezuela international zu isolieren. Auch die Medien haben ihren Teil dazu beigetragen, indem sie Venezuela ständig als gescheiterten Staat unter der Führung einer Diktatur dämonisieren. In seiner Siegesrede am Sonntagabend bezeichnete Maduro, die Ergebnisse als einen Sieg der Wahrheit über die Lügen und prangerte den «schmutzigen Krieg» gegen Venezuela an, der in der Presse und in den sozialen Medien geführt werde.

Die USA haben mehrere Putschversuche gegen Maduro und seinen Vorgänger Hugo Chavez unterstützt. Sie haben ausserdem zweistellige Millionenbeträge in die Finanzierung von Oppositionsgruppen investiert,5 darunter NGOs, Studentenorganisationen und politische Parteien. Marina Corina Machado ist ein typisches Beispiel. Die «Menschenrechtsgruppe» der Oppositionsführerin, Súmate, wurde von der CIA-Frontgruppe National Endowment for Democracy finanziert.

Kampf gegen den Imperialismus

Venezuela ist zur Zielscheibe geworden, weil es eine alternative Vision davon bietet, wie die Gesellschaft organisiert sein sollte. Unter Hugo Chavez verstaatlichte Venezuela seine riesige Ölindustrie und nutzte die Gewinne zur Finanzierung umfangreicher Sozialprogramme, darunter kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum.

Unter Chavez wurde die Armut um die Hälfte und die extreme Armut um drei Viertel reduziert. Der Analphabetismus wurde ausgerottet und die Zahl der Studierenden stieg auf den weltweit viertgrössten Wert.

Venezuela wurde weltweit zu einer Inspiration, insbesondere als es die Bewegung für eine multipolarere Welt anführte, uneingeschränkte Unterstützung für die palästinensische Befreiung bot und sein Öl kostenlos an arme Länder und Gemeinden verschenkte, darunter6 fünf schwarze und indianische Bevölkerungsgruppen in den USA, deren Häuser dank der venezolanischen Regierung kostenlos oder zu stark ermässigten Preisen beheizt wurden.

Die Sanktionen der USA haben das Land verwüstet. Aber die Regierung Maduro scheint das Schlimmste überstanden zu haben. Die Geschäfte sind wieder voll, die Inflation wurde gebändigt und Venezuela produziert jetzt 96 Prozent der Lebensmittel, die es verbraucht. Darüber hinaus feierte Maduros Wohnungsbauprogramm Misión Gran Vivienda Venezuela gerade den Bau seiner fünfmillionsten Wohnung. «Venezuela gesundet» ist ein gängiger Slogan im ganzen Land.

Obwohl Anthony Blinken und Marco Rubio den Wahlprozess in Venezuela verurteilen, werden ihre Positionen von den Dutzenden von Amerikanern nicht unterstützt, die letzte Woche vor Ort in Venezuela waren.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Machthaber den Worten und Aussagen dieser Beobachter Beachtung schenken werden. Schliesslich sind für das US-Imperium einige Themen zu wichtig, als dass man sich von der Wahrheit davon abhalten lassen könnte.

* Alan MacLeod ist leitender Redakteur bei MintPress News. Nach seiner Promotion im Jahr 2017 veröffentlichte er zwei Bücher: «Bad News From Venezuela: Twenty Years of Fake News and Misreporting» und «Propaganda in the Information Age: Still Manufacturing Consent» sowie eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln. Er hat ausserdem Beiträge für FAIR.org, The Guardian, Salon, The Grayzone, Jacobin Magazine und Common Dreams verfasst.

Quelle: https://www.mintpressnews.com/venezuela-while-us-politicians-call-fraud-american-election-observers-endorse-results/288010/, 30. Juli 2024

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://x.com/marcorubio/status/1817425760719679976

2 https://x.com/AlanRMacLeod/status/1818052769082704031, https://x.com/AlanRMacLeod/status/1818054183485915218, https://x.com/AlanRMacLeod status/181806497707875566, https://x.com/AlanRMacLeod/status/1818154265040335139

3 https://cepr.net/press-release/report-finds-us-sanctions-on-venezuela-are-responsible-for-tens-of-thousands-of-deaths/

4 https://www.blackagendareport.com/former-un-rapporteur-human-rights-us-sanctions-have-killed-more-100-thousand-venezuelans

5 https://www.mintpressnews.com/venezuela-elections-us-renews-regime-change-efforts/287696/

6 https://venezuelanalysis.com/news/1376/

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