Trumps Einfallsreichtum gegenüber Russland und Iran

von M. K. Bhadrakumar,* Indien

(21. März 2025) In den letzten drei Jahren behauptete Moskau, dass es durch den von den USA geführten Stellvertreterkrieg in der Ukraine einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sei. Doch in den letzten sechs Wochen hat sich diese Bedrohungswahrnehmung weitgehend aufgelöst. Der US-Präsident Donald Trump hat einen heldenhaften Versuch unternommen, das negative Image seines Landes zu ändern und es zu einem Mittelding aus «Freund» und «Feind» zu machen, mit dem Moskau trotz eines grundlegenden Misstrauens oder einer Abneigung freundlich umgehen kann.

M. K. Bhadrakumar
(Bild zvg)

Letzte Woche wandte sich Donald Trump der Iran-Frage zu, was ein ähnlich grosser Vertrauensbeweis sein könnte. Es gibt Ähnlichkeiten in den beiden Situationen. Sowohl der russische Präsident Wladimir Putin als auch der iranische Präsident Massud Peseschkian sind durch und durch Nationalisten und Modernisierer, die dem Westen gegenüber aufgeschlossen sind. Sowohl Russland als auch der Iran sind mit US-Sanktionen konfrontiert. Beide streben eine Rücknahme der Sanktionen an, die Möglichkeiten zur Integration ihrer Volkswirtschaften in den Weltmarkt eröffnen könnten.

Die russischen und iranischen Eliten können beide als «Westler» bezeichnet werden. In ihrer Geschichte haben sowohl Russland als auch der Iran den Westen als Quelle der Modernität erlebt, um ihre Zivilisationsstaaten «aufzuwerten». In einem solchen Paradigma hält Trump einen Stock in der einen und eine Karotte in der anderen Hand und bietet Versöhnung oder Vergeltung an, je nach Wahl. Ist das ein kluger Ansatz? Ist ein Neustart ohne Zwang überhaupt möglich?

In der russischen Wahrnehmung hat sich die Bedrohung durch die USA in letzter Zeit deutlich verringert, da die Trump-Regierung unmissverständlich eine Strategie signalisiert hat, sich mit Russland zu befassen und die Beziehungen zu normalisieren – und sogar die Aussicht auf eine für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche Zusammenarbeit in Aussicht gestellt hat.

Bisher hat Russland mit Trump (der Russland sogar mit weiteren Sanktionen gedroht hat) eine Achterbahnfahrt erlebt, dessen Vorschläge für einen Waffenstillstand zur Beendigung des Konflikts in der Ukraine in Russland Unbehagen auslösen. Trump hat jedoch auch die Tür zur Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zugeschlagen, jeglichen Einsatz des US-Militärs in der Ukraine abgelehnt, Russland von der Verantwortung für die Auslösung des Ukraine-Konflikts befreit und stattdessen die Schuld direkt der Biden-Regierung zugeschoben, den Wunsch Russlands nach einem Ende des Konflikts offen anerkannt und die Bereitschaft Moskaus zur Aufnahme von Verhandlungen zur Kenntnis genommen – und sogar eingeräumt, dass der Konflikt selbst in der Tat ein Stellvertreterkrieg ist.

Auf praktischer Ebene signalisierte Trump seine Bereitschaft, den normalen Betrieb der russischen Botschaft wiederherzustellen. Glaubt man den Berichten, haben die beiden Länder ihre offensiven Geheimdienstaktivitäten im Cyberspace eingefroren.

Auch bei der jüngsten Abstimmung über eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine fanden sich die USA und Russland auf der Gegenseite der europäischen Verbündeten Washingtons wieder, die sich mit Kiew verbündeten. Vermutlich haben russische und amerikanische Diplomaten in New York koordinierte Schritte unternommen.

Es ist keine Überraschung, dass in den europäischen Hauptstädten und in Kiew Panik herrscht, weil Washington und Moskau direkt miteinander in Kontakt stehen und sie nicht miteinbezogen sind. Während das Komfortniveau in Moskau spürbar gestiegen ist, verdichtet sich die düstere Stimmung in Europa nur noch weiter und verkörpert die Verwirrung und Vorahnung, die für bedeutende Momente ihres Kampfes kennzeichnend waren.

Alles in allem hat Trump die Legitimität der russischen Position eingeräumt, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben. Ist auch in Bezug auf den Iran ein unkonventionelles Denken denkbar?

Teheran. (Bild zvg)

Unkonventionelles Denken in Bezug auf den Iran

Aus russischer Sicht sind die verbleibenden «offenen Fragen» im Wesentlichen folgende:

Erstens ein Regimewechsel in Kiew, der die Entstehung eines neutralen, befreundeten Nachbarlandes sicherstellt; zweitens die Aufhebung der US-Sanktionen; und drittens Gespräche über Rüstungskontrolle und Abrüstung, die an die heutigen Bedingungen angepasst sind, um das Gleichgewicht und die Stabilität in Europa und weltweit zu gewährleisten.

Was den Iran betrifft, so stehen wir noch am Anfang, aber die aktuelle Situation ist weitaus weniger schwierig. Es stimmt, die zwei Länder befinden sich seit Jahrzehnten in einer konfliktreichen Beziehung. Dies ist jedoch ausschliesslich auf die Einmischung der USA in die Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur des Iran zurückzuführen. Eine unerbittliche gegenseitige Feindseligkeit war historisch gesehen nie der Leitstern.

Im Iran gibt es eine Gruppe von «Westlern», die sich für eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA einsetzen, da dies der Weg zur wirtschaftlichen Erholung des Landes ist. Natürlich haben auch im Iran, wie in Russland, extreme Falken und Dogmatiker ein Interesse am Status quo. Der militärisch-industrielle Komplex ist in beiden Ländern einflussreich.

Der grosse Unterschied heute besteht darin, dass das äussere Umfeld in Eurasien von den Spannungen zwischen den USA und Russland profitiert, während die innerregionalen Allianzen in der Golfregion einer Entspannung zwischen den USA und dem Iran förderlich sind. Die iranisch-saudische Annäherung, eine stetige und weitgehende Abmilderung der iranischen Widerstandspolitik, Saudi-Arabiens Abkehr von Dschihad-Gruppen als geopolitisches Instrument und die Neuausrichtung auf Entwicklung und Reformen als nationale Strategien – all dies prägt den Zeitgeist, der eine Konfrontation zwischen den USA und dem Iran verabscheut.

Diese historische Wende macht die alte US-Strategie, den Iran zu isolieren und «einzudämmen», ziemlich überflüssig. In den USA selbst setzt sich unterdessen immer mehr die Erkenntnis durch, dass sich die amerikanischen Interessen in Westasien nicht mehr mit denen Israels überschneiden. Trump muss sich dessen bewusst werden.

Die Abschreckungsfähigkeit des Iran ist heute auch eine unbestreitbare Realität. Durch einen Angriff auf den Iran könnten die USA bestenfalls einen Pyrrhussieg erringen, der mit der Zerstörung Israels einherginge. Trump wäre es unmöglich, die USA während seiner Präsidentschaft aus dem daraus resultierenden Schlamassel zu befreien, was in der Tat sein Vermächtnis prägen könnte.

Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland könnten sich in die Länge ziehen. Da Russland schon so weit gekommen ist, ist es nicht darauf erpicht, den Konflikt einzufrieren, ehe es die vollständige Kontrolle über die Donbass-Region – und möglicherweise auch die Ostseite des Dnepr (einschliesslich Odessa, Charkiw usw.) – übernommen hat.

Im Fall des Iran läuft die Zeit jedoch ab. In sechs Monaten muss sich etwas ändern, wenn die Sanduhr leer ist und im Oktober die Frist für den Snapback-Mechanismus des JCPOA1 von 2015 abläuft, um die UN-Resolutionen zur «Aussetzung aller Wiederaufbereitungs-, Schwerwasser- und Anreicherungsaktivitäten» durch Teheran wieder in Kraft zu setzen.

Der Naqsch-e-Dschahan-Platz in Isfahan. (Bild hr)

Trump wird aufgefordert werden, eine folgenschwere Entscheidung über den Iran zu treffen. Eines ist sicher: Wenn es hart auf hart kommt, könnte Teheran den Atomwaffensperrvertrag ganz kündigen. Trump sagte am Mittwoch, dass er einen Brief an Ali Khamenei, den obersten Führer des Iran, geschickt habe, in dem er eine Vereinbarung als Ersatz für das JCPOA fordere. Er deutete an, ohne Einzelheiten zu nennen, dass das Thema schnell zu einem Konflikt mit dem Iran führen könnte, signalisierte aber auch, dass in naher Zukunft ein Atomabkommen mit dem Iran zustande kommen könnte.

Später am Freitag [7. März] erklärte Trump gegenüber Reportern im Oval Office, dass die USA bei den Verhandlungen mit dem Iran «kurz vor dem Abschluss» stünden und er hoffe, dass sich eine militärische Intervention als unnötig erweisen würde. Er drückte es so aus:

«Es ist eine interessante Zeit in der Geschichte der Welt. Aber wir haben eine Situation mit dem Iran, in der sehr bald, sehr, sehr bald etwas passieren wird. Darüber werden Sie wohl ziemlich bald sprechen. Hoffentlich können wir ein Friedensabkommen erzielen. Ich spreche nicht aus Stärke oder Schwäche, ich sage nur, dass ich lieber ein Friedensabkommen als das andere sehen würde. Aber das andere wird das Problem lösen. Wir stehen kurz vor dem Ziel. Wir können nicht zulassen, dass sie eine Atomwaffe haben.»

Trump strebt an, aus einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland und dem Iran, zwei Energiesupermächte, Friedensdividenden zu generieren, die seinem MAGA-Projekt Auftrieb verleihen könnten. Aber erst müssen die Spinnweben weggewischt werden. Mythen und Missverständnisse haben das zeitgenössische westliche Denken über Russland und den Iran geprägt. Trump sollte nicht auf die Phobie vor Russlands «imperialistischen» Ambitionen oder Irans «geheimem» Atomprogramm hereinfallen.

Wenn das erste Narrativ dasjenige des liberal-globalistischen Neocon-Lagers war, ist das zweite eine Erfindung der israelischen Lobby. Beide sind eigennützige Narrative. Dabei ging der Unterschied zwischen Verwestlichung und Modernisierung verloren. Verwestlichung ist die Übernahme der westlichen Kultur und Gesellschaft, während Modernisierung die Entwicklung der eigenen Kultur und Gesellschaft ist. Verwestlichung kann in Ländern wie Russland und Iran bestenfalls ein Teilprozess der Modernisierung sein.

Trumps Genialität liegt daher darin, die Stellvertreterkriege der USA mit Russland und dem Iran zu beenden, indem er aus der russisch-iranischen strategischen Partnerschaft Synergien schafft. Wenn die Stellvertreterkriege der USA Russland und den Iran in ihrer turbulenten Geschichte in letzter Zeit als Quasi-Verbündete nur enger zusammengebracht haben als je zuvor, liegt ihr gemeinsames Interesse heute auch in Trumps Genialität, Putins Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran zu normalisieren. Falls jemand einen solch kühnen, magischen Seiltrick vollbringen kann, dann kann es nur Donald Trump sein.

* M. K. Bhadrakumar hat rund drei Jahrzehnte als Karrierediplomat im Dienst des indischen Aussenministeriums gewirkt. Er war unter anderem Botschafter in der früheren Sowjetunion, in Pakistan, Iran und Afghanistan sowie in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und in der Türkei. Seine Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit der indischen Aussenpolitik und Ereignissen im Mittleren Osten, in Eurasien, in Zentralasien, Südasien und im Pazifischen Asien. Sein Blog heisst «Indian Punchline».

Quelle: https://www.indianpunchline.com/trumps-ingenuity-vis-a-vis-russia-iran/, 10. März 2025

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 Anmerkung des Übersetzers: Der Snapback-Mechanismus im Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA, Atomabkommen von 2015) diente dazu, frühere UN-Sanktionen automatisch wieder in Kraft zu setzen, falls der Iran gegen seine Verpflichtungen verstossen sollte. Das Atomabkommen wurde durch die UN-Sicherheitsratsresolution 2231 (2015) bestätigt, die frühere Sanktionen aufhob. Anhang B, Absätze 11–12 der Resolution 2231 ermöglichte jedoch einen «Snapback», falls ein JCPOA-Teilnehmer der Meinung war, dass der Iran sich nicht an das Abkommen hält.

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