«Die geopolitische Inkompetenz der Europäer ist erschütternd»
von Guy Mettan,* Genf
(21. Februar 2025) Wenn man verstehen will, was in der Welt passiert, ist es sinnlos, den Experten zuzuhören, die sich auf unseren Radio- und Fernsehkanälen tummeln. Sie leben in einer Parallelwelt, die nichts mehr mit den aktuellen internationalen Realitäten zu tun hat. Sogar die amerikanischen Kommentatoren sind manchmal überfordert.
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(Bild zvg)
Es ist besser, von Zeit zu Zeit einigen der besten Analysten Asiens zu folgen, wie Shashi Tharoor und M. K. Bhadrakumar in Indien, Zhang Weiwei in China oder Kishore Mabubhani in Singapur.
In einem kürzlich erschienenen Podcast zeigt sich letzterer verblüfft über die «geopolitische Inkompetenz der europäischen Staats- und Regierungschefs». Auch mit der blinden Arroganz der intellektuellen Elite der USA geht er nicht zimperlich um.
Die diplomatische Offensive, die die Trump-Administration seit Anfang der Woche führt, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, gibt ihm völlig Recht. Die Europäer und Briten, die durch die Kriegstreiberei des Quintetts von der Leyen-Baerbock-Kallas-Rutte-Starmer verblendet und von den Klageliedern des Komödianten und Charmeurs aus Kiew verzaubert sind, haben nichts kommen sehen. Sie haben Trump nicht vorausgesehen, sie haben die Tornados nicht vorausgesehen, die er mit seinen Eroberungsdrohungen und seinen Zollkriegen entfesseln würde. Sie haben auch nicht den Frieden vorausgesehen, oder zumindest das Schweigen der Waffen, das er nach Palästina und in die Ukraine bringen wollte.
Und doch war all das seit Monaten in Aussicht gestellt worden.
Das Ergebnis: Das eineinhalbstündige Gespräch zwischen Trump und Putin am Mittwoch hat sie alle überrascht. Sie blieben ratlos zurück, sie, die alles auf die «diplomatische Ausgrenzung» und den «wirtschaftlichen Zusammenbruch» Russlands gesetzt hatten. Selbst die Medien blieben stumm, die am nächsten Tag das Ereignis kaum erwähnten oder es sogar völlig ignorierten.
Und doch handelt es sich hier um einen wichtigen Wendepunkt nach drei Jahren Krieg. Nicht weniger als vier der höchsten Vertreter der Trump-Administration wurden nach dem Präsidenten selbst, dem Vizepräsidenten J. D. Vance, der Chef des Pentagon Peter Hegseth, der Aussenminister Marco Rubio und der Sonderbeauftragte Steven Witkoff nach Europa entsandt, um die Botschaft zu überbringen, dass die USA diesen Krieg nicht mehr wollten und dass sie direkte Verhandlungen mit Moskau aufnehmen würden, ohne die Europäer um ihre Meinung zu bitten. Man kann erahnen, dass auf der Münchner Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende die Engel in Schwärmen tief fliegen werden.
Die Ironie dabei ist, dass sich Trump in dieser Angelegenheit als bester Verteidiger der langfristigen europäischen Interessen erweist. Er ist nicht nur bereit, auf die wirtschaftlichen Vorteile zu verzichten, die der Krieg in der Ukraine den USA gebracht hat, sondern er hilft auch den schwächelnden Volkswirtschaften Europas wieder auf die Beine, nachdem sie alle Energie- und Handelsbrücken zu ihrem nächsten Nachbarn Russland abgebrochen hatte, er investiert 500 Milliarden in den Wiederaufbau der Ukraine (im Austausch gegen Seltene Erden) und er zwingt die Europäer, die Verantwortung für ihre eigene Verteidigung zu übernehmen und ihre geopolitische Rolle wieder wahrzunehmen. Letztendlich wird ihm ganz Europa, einschliesslich der Ukraine, dafür dankbar sein müssen.
Der ehemalige Berater von Wolodymyr Zelensky, Oleksij Arestowitsch, hat sich nicht geirrt, als er kürzlich in seinem Blog zugab, dass die Ukraine alles falsch gemacht habe, als sie sich seit 1991 auf einen russophoben Nationalismus verlegt und ab 2014 einen aussichtslosen Konflikt mit Russland begonnen habe.
Für Asiaten, die Europa aus der Ferne betrachten und die Vereinigten Staaten aus der Nähe verfolgen, ist diese inkohärente Haltung, diese krasse Ignoranz der europäischen Eliten gegenüber den physischen, wirtschaftlichen, geografischen und politischen Realitäten ihres eigenen Kontinents geradezu verblüffend.
Warum ignorieren die Europäer, dass sie dazu verdammt sind, für alle Ewigkeit mit ihrem grossen russischen Nachbarn zu leben, und dass eine intelligente Zusammenarbeit mit ihm dem Krieg vorzuziehen ist? Warum ignorieren sie nach Jahrhunderten gemeinsamer Nachbarschaft, dass Russland, das seit tausend Jahren immer wieder von ihnen überfallen wird, vor allem um seine Sicherheit besorgt ist und diese Sorge über alle anderen stellt? Warum ignorieren sie die Auswirkungen der Beleidigungen, mit denen sie den russischen Staatschef, dem sie alle Fehler und Schandtaten anlasten, ständig überziehen? Warum wollen sie nicht sehen, dass die USA, verängstigt durch ihren relativen Niedergang, heute versuchen, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren, in der Hoffnung, den Platz zurückzuerobern, den sie in den letzten Jahrzehnten innehatten? Warum praktizieren die Europäer, die auf einem ebenso vielfältigen, vielschichtigen, komplizierten und manchmal antagonistischen Kontinent wie Südostasien leben, nicht dieses fernöstliche Prinzip der Weisheit, das darin besteht, mit seinen Feinden und Rivalen zu sprechen, egal was passiert und wie sehr man sie auch verabscheut, wohl wissend, dass man sowieso mit ihnen leben muss?
Das sind die Fragen, die unsere asiatischen Freunde im Hinblick auf Europa stellen. Sie sind keineswegs unvernünftig …
* Guy Mettan (1956) ist Politologe, freischaffender Journalist und Buchautor. Seine journalistische Karriere begann er 1980 bei der «Tribune de Genève» und war von 1992 bis 1998 deren Direktor und Chefredaktor. Von 1997 bis 2020 war er Direktor des «Club Suisse de la Presse» in Genf. Guy Mettan ist seit 20 Jahren Mitglied des Genfer Kantonsparlaments. |