«Defender 21»: Säbelrasseln in Europa

Alexander Neu (Bild
www.bundestag.de)

von Alexander Neu*

(10. Mai 2021) Ein Gespenst geht um in Europa – wieder einmal. Und es ist wieder mal nicht der Kommunismus, sondern das Gegenteil – die eiserne Faust des US-Kapitalismus’/Imperialismus’: Das US-geführte Manöver Defender-Europe 21. Fairerweise muss man einräumen, dass die US-bestimmte NATO die eigentliche eiserne Faust des westlichen Imperialismus ist.

Für unsere transatlantischen Freunde in der Bundesregierung, den Bundestag, für manche Medien sowie in anderen europäischen Hauptstädten dürfte eine Aussage in der Pressemitteilung der «US-Army Europe and Africa» für besondere Erleichterung und Herzenswärme nach den schweren Jahren der Trump-Präsidentschaft sorgen: «‹DEFENDER-Europe 21› ist ein Beweis für die eiserne Verpflichtung der USA zur NATO…».

So wird dann auch das Manöver auf der Homepage der «US-Army and Africa» wie folgt beschrieben: «DEFENDER-Europe ist eine jährlich stattfindende, umfassende, «US-Army and Africa»-geführte, multinationale, gemeinsame Übung, bestimmt, um die strategische und operationelle Bereitschaft und Interoperabilität zwischen den USA, den NATO-Verbündeten und weiteren Partnern auszubauen.»

Parlament wird nicht informiert

Im Gegensatz zum ersten Defender-Manöver im Jahre 2020 erhielt der deutsche Verteidigungsausschuss dieses Mal keine Vorabinformation, weshalb ich am 29. März 2021 das Thema auf die Tagesordnung des Ausschusses vom 14. April 2021 habe setzen lassen. Warum die Bundesregierung dieses Jahr in Fragen begrenzter Transparenz noch weniger proaktiv auskunftsfreudig ist als letztes Jahr, wird im Ausschuss zu klären sein.

Im Oktober 2019 strotzte das Verteidigungsministerium in einem Schreiben an den Ausschuss geradezu vor Stolz und peinlicher Unterwürfigkeit, dass die USA die wichtige Rolle Deutschlands an der Seite des transatlantischen Partners in Form des Manövers Defender 2020 anerkennen. Der Umstand, dass den geographischen Schwerpunkt des Manövers in diesem Jahr nicht Deutschland und Polen, sondern der Balkanraum darstellt, kann für die Informationsmüdigkeit des Verteidigungsministeriums keine Erklärung sein, denn die Bundeswehr ist auch in diesem Jahr ein braver Untertanenpartner der US-Army.

Insgesamt soll das Manöver mit 28 000 Soldatinnen und Soldaten aus 27 Staaten, mehrheitlich NATO-Staaten, in über 30 Übungsgebieten stattfinden. Ziel soll es sein, die militärischen Fähigkeiten der USA und ihrer Partner in Europa im strategisch wichtigen Balkan und der Schwarzmeer-Region zu üben, so dass die Beteiligten in der Lage seien, auf jegliche Krise («any crisis»), die auftauchen möge, zu reagieren. Ob Defender Europe 21 auch auf die Corona-Krise in der Region zu reagieren vermag, war der Verlautbarung nicht zu entnehmen. Es wäre aber spannend gewesen zu erfahren, ob man statt mit Kanonenrohren zur Abwechslung mal mit Impfspritzen für die dortige Bevölkerung aufschlägt. Zu Corona war lediglich zu entnehmen, dass die US-Truppen und ihre Partner bestens vorbereitet seien, um das Friedensmanöver erfolgreich umzusetzen.

Das Manöver begann im März in Form der Verschiffung von Personal und Material aus den USA nach Europa. Im April werden die teilnehmenden Einheiten die in Deutschland, den Niederlanden und Italien bereitgestellten Waffenvorräte öffnen. Der Hauptteil der Trainingsmassnahmen wird im Mai stattfinden, und enden soll das Manöver mit der Rückverlegung der US-Truppen im Juni. Gegen wen das Manöver gerichtet ist, wird zwar nicht explizit gesagt, bleibt aber, wie auch bei Defender 2020, einem klar denkenden Menschen nicht verborgen: gegen Russland – dieses Mal an der Südost-Front bis an das Schwarze Meer. Schaut man sich auf der Homepage «US-Army Europe and Africa» die Landkarte an, so fallen zwei Dinge besonders auf:1

Serbien im Fokus

Serbien nimmt an dem Säbelrasseln gegen Russland nicht teil – dafür aber fünf von sechs Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. Durch ihre Teilnahme an dem US-Manöver wird Serbien geradezu eingekreist, was auch als eine versteckte Drohung Richtung Serbien interpretiert werden könnte, doch möglichst bald der NATO beizutreten, um künftig in Frieden und Wohlstand leben zu können. Besonders schmerzhaft für Serbien dürfte die Teilnahme der NATO/EU-Kolonie Kosovo sein.

Sollte Serbien trotz aller gegenteiliger Erfahrungen seit 1998 immer noch an einen wie auch immer halbwegs kooperativen und völkerrechtsbasierten Austausch mit dem Westen auf Augenhöhe glauben, so dürfte die Teilnahme des Kosovo am Manöver erneut das Gegenteil beweisen. Ob Serbien aber daraus endlich seine Schlüsse zieht und sich auf eine strikte Neutralitätspolitik orientiert, wie das einst Jugoslawien erfolgreich praktiziert hatte, bleibt weiterhin offen.

Abschliessend sei angemerkt, dass das diesjährige Manöver das zweite, aber nicht das letzte seiner Art in Europa sein wird. Im Gegenteil: Defender soll jährlich in zwei Weltregionen mit besonderem Interesse für den US-Imperialismus stattfinden: In Europa gegen Russland und im Westpazifik/Südostasien gegen China. Dies passt wunderbar in das von den USA konstruierte und von den europäischen NATO-Mitgliedern artig übernommene Feindbild. Als Reaktion darauf nähern sich China und Russland trotz erheblicher innerer Widersprüche derzeit mit grossen Schritten gegenseitig an.

Friedens-, Stabilitäts- und Sicherheitsbildung sieht anders aus.

1 https://www.europeafrica.army.mil/ArticleViewPressRelease/Article/2537359/press-release-defender-europe-21-activities-begin-this-month-include-two-dozen/

* Dr. Alexander S. Neu; 1969; verheiratet, zwei Kinder; Studium der politischen Wissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn; Promotion 2004; 2000–2002 und 2004 Auslandstätigkeit in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im ehemaligen Jugoslawien; 2006 bis 2013 Referent für Sicherheitspolitik bei der Fraktion DIE LINKE.
Vgl: https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/N/neu_alexander-522326

Quelle: https://diefreiheitsliebe.de/politik/defender-21-saebelrasseln-in-europa/ vom 31.3.2021

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