«Vom Krieg zum Frieden»

Symposium der Initiative «Demokratie und Grundrechte»

von Marita Brune-Koch

(8. November 2024) Wien. – Grausame Kriege in verschiedenen Teilen der Erde, Politiker und Medien, die zum Krieg hetzen und mit Krieg und Aufrüstung angeblich den Frieden herbeiführen wollen, so sieht unsere Welt im Moment aus. Unsere Alpenrepubliken Österreich und die Schweiz, die sich mit ihrer verfassungsmässig verankerten Neutralität dem Kriegsgeschehen verweigern könnten, rüsten zunehmend mit und wollen auf dem mörderischen Ball mittanzen. Dem setzte mutig das Symposium «Vom Krieg zum Frieden» Kontrapunkte entgegen.

Hannes Hofbauer, Verleger des Promedia Verlags, begrüsste am 11. Oktober rund 80 Teilnehmer im Saal des Martinsschlössl in Wien. Er stellte die Initiative «Demokratie und Grundrechte» vor. Sie ist ein loser Zusammenschluss von Bürgern, die sich für die Erhaltung der Grundrechte, der Meinungsfreiheit und für den Widerstand gegen digitale Überwachung einsetzen.

Das Programm bestand aus zwei Podien: Das erste zum Thema «Krieg und Frieden», das zweite zum Thema «Neutralität».

Nato auf den Schutthaufen der Geschichte

Auf dem ersten Podium referierte Jürgen Rose, ehemaliger Offizier der deutschen Bundeswehr. 2007 verweigerte er aus Gewissensgründen seine Beteiligung am Tornado-Einsatz in Afghanistan. Er ist Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreises Darmstädter Signal. Er beschäftige sich mit der Frage, wie mittels Verhandlungen der Krieg beendet werden könne und berief sich dabei unter anderem auf Initiativen des Papst Franziskus, Viktor Orbans und der Volksrepublik China. Die EU habe die Strategie der USA kopiert, kritisierte er und plädierte für ein neues Kapitel auf rationaler Basis.

Er benannte die Gefahr neuer Waffensysteme, die ausschliesslich auf deutschem Boden stationiert würden und konstatierte, dass die Nato viel stärker bewaffnet sei als Russland. Deshalb müsse sich nicht die Nato von Russland bedroht fühlen, sondern umgekehrt, Russland von der Nato. Die Nato, so fasste der ehemalige Bundeswehroffizier zusammen, sei ein Bündnis zur Zerstörung des Rechts, der Natur, der Wahrheit und der Menschheit. Sie gehöre auf den Schutthaufen der Geschichte.

Gaza: Völkermord an Frauen und Kindern verurteilen – unabhängig von politischer Couleur

Astrid Wagner, Rechtsanwältin und engagierte Aktivistin im Israel/Gaza-Konflikt rief zu einem Waffenstillstand auf. Es gebe viele Anzeichen für einen Völkermord in Gaza. Zwei Drittel der Opfer seien Frauen und Kinder – das sei rein menschlich, unabhängig von der politischen Couleur, zu verurteilen. Die Kinder seien schwer traumatisiert. Der Konflikt führe zu Langzeitfolgen, kaputten Köpfen und Seelen. Doch das Engagement in diesem Konflikt werde durch extreme Einschränkungen der Meinungsfreiheit behindert. Dies obwohl auch sehr viele Juden den Krieg gegen Gaza ablehnen würden, Ein Viertel der Demonstranten seien Juden.

Es sei nicht vertretbar, dass Österreich bei der UNO nicht Partei gegen den Völkermord und für einen Waffenstillstand ergreift. Stattdessen habe Aussenminister Alexander Schallenberg drei Mal gegen einen Waffenstillstand gestimmt. Hannes Hofbauer wirft ein, das wäre unter Bruno Kreisky unmöglich gewesen, dort habe man der arabischen Welt die Tür geöffnet, Muammar al-Gaddafi sei hier ein und aus gegangen. Wieso nimmt die Sozialdemokratie heute so Stellung, fragt er.

Astrid Wagner gibt ihm recht, das sei ein Verrat an der Sozialdemokratie. Österreich habe aufgrund seiner Neutralität viele Möglichkeiten, friedensstiftend einzuwirken. Um des Friedens willen müsse man auch mit der Hamas reden, was sonst? Es brauche viele kleine Schritte, es geht nicht anders, aber es ist möglich, sagte sie abschliessend.

Podium «Krieg und Frieden» von links: Jürgen Rose, Hauke Ritz,
Astrid Wagner und Moderator Hannes Hofbauer. (Bild mt)

Frieden durch Krieg – oder durch Interessenausgleich?

Hauke Ritz, Kulturwissenschaftler, referierte zu unterschiedlichen «Weltordnungskonzepten» in verschiedenen Kulturen, speziell verglich er Europa und Amerika. Er habe in Gesprächen mit Amerikanern immer wieder festgestellt, dass sie den Gedanken, man könne Werte wie Demokratie nicht durch Krieg erringen, nicht verstehen können.

Der Grund sei eine tiefe Verwurzelung in der Vorstellung von Amerika als einer unverzichtbaren Nation, der stärksten der Welt. Sie würden an das Konzept der «Manifest Destiny» glauben, wonach es Weltgesetz sei, dass die USA automatisch immer stärker würden. Dieser Glaube führe dazu, dass die Amerikaner weniger verhandlungsbereit seien, sie fühlten sich als von Gott berufen, die Welt zu führen. Ihre geopolitische Lage, geschützt zwischen zwei Ozeanen, würde die Vorstellung der eigenen Unverletzbarkeit unterstützen.

In Europa dagegen habe der 30-jährige Krieg zu der Einsicht geführt, dass Werte nicht durch Krieg zu erringen seien. Frieden, so die Erkenntnis, sei nur über Interessensausgleich möglich. Das habe zum Westfälischen Frieden geführt, der heute grundlegend und friedenssichernd für uns ist. Wenn wir jetzt anfangen würden, das Denken der USA zu übernehmen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen, Kriege für Werte zu führen, sei das ein Rückfall hinter den Westfälischen Frieden.

Aus dem Publikum wurde Ritz zur russischen Weltsicht gefragt. Russland, so der Kulturwissenschaftler, sei ein riesiges Land, es sei unmöglich alle Grenzen – so lang wie der halbe Äquator – zu kontrollieren und zu verteidigen. Deshalb habe Russland schon sehr früh den Gedanken entwickelt, dass es die beste Verteidigung sei, an seinen Grenzen nur befreundete Länder zu haben. Deshalb habe Russland auch eine Hochschule für Diplomaten. Es gebe für jedes kleine Land, jede Minderheit, jede Sprache, Experten, die sich in die jeweils andere Kultur eindenken und Lösungen für Konflikte im Gespräch suchen können. Russlands Erfolge in Afrika seien denn auch mehr ihren diplomatischen Fähigkeiten als wirtschaftlichen Investitionen geschuldet.

Podium «Neutralität» von links: Günther Greindl, Gudula Walterskirchen,
Jean-Paul Vuilleumier, Erwin Buchinger und Moderatorin Eva Pfisterer.
(Bild sv)

Neutralität als Alternative

Das anschliessende Podium war dem Thema «Neutralität» gewidmet – und hier gab es eine vorbildliche Zusammenarbeit von Vertretern der beiden neutralen Länder Österreich und Schweiz. Jean-Paul Vuilleumier, Chefredakteur der Online-Publikation «Schweizer Standpunkt», erläuterte die Bedeutung der eidgenössischen Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität»,1 die im April 2024 mit 132 000 beglaubigten Unterschriften in Bern eingereicht wurde; die Debatte im Parlament und schliesslich die Volksabstimmung stehen in den nächsten Jahren bevor. Deren Ziel ist es, die Neutralität in der Bundesverfassung so auszudifferenzieren, dass einer Beteiligung an Militär- und Verteidigungsbündnissen, der Übernahme von einseitigen Zwangsmassnahmen (Sanktionen) und Beteiligung an militärischen Auseinandersetzungen zwischen Drittstaaten, ein wirksamer Riegel geschoben wird. Heute, so Vuilleumier, wird die Schweiz von vielen Ländern nicht mehr als neutral angesehen. Deshalb soll unser Land, mit seiner immerwährenden bewaffneten Neutralität, wieder für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und als Vermittlerin zur Verfügung stehen. Militärbündnisse führen zu Flächenbrand

Gudula Walterskirchen, Historikerin und Journalistin aus Österreich, griff die Propaganda gegen die Neutralität auf. Sie bestünde im Wesentlichen aus zwei Narrativen: 1. Ohne Militärbündnisse geht es nicht. 2. Die Neutralität ist aus der Zeit gefallen.

Beide Behauptungen könnten nur aufgrund der mangelnden Bildung und vor allem aufgrund der mangelnden Geschichtskenntnisse vieler Politiker (sie nannte als Beispiel die deutsche Aussenministerin Baerbock) verfangen. Österreich habe schlechte Erfahrungen mit Militärbündnissen gemacht. Vermutlich hält deshalb die Bevölkerung an der Neutralität fest. So wäre es zum Beispiel ohne Bündnissysteme nicht zum ersten Weltkrieg gekommen.

Nach der Auflösung des Warschauer Paktes hätte man die Nato auflösen müssen. Stattdessen wurden mit ihr viele Kriege geführt. Die Gefahr bei Bündnissen sei: Man muss auch in den Krieg einsteigen, wenn ein Bündnispartner «angegriffen wird», das führt dann schnell zum Flächenbrand. Der grösste Teil der Länder weltweit habe sich in keinerlei Militärbündnissen einspannen lassen, 120 Staaten seien blockfrei. Es sei also keinesfalls aus der Zeit gefallen, neutral zu sein, sondern Mainstream.

Rückkehr zur aktiven Friedenspolitik

General i.R. Günther Greindl vertritt das Anliegen der Rückkehr zur aktiven Friedenspolitik. Österreich sei mit dem Staatsvertrag 1955 neutral geworden, und die Neutralität «ist unsere Identität geworden». Die Neutralität entspricht der Charta der Vereinten Nationen, die fordert, künftigen Generationen die Geissel des Krieges zu ersparen.

Als erfahrener hoher Offizier legte Greindl dar, wie Österreich sich wirkungsvoll schützen beziehungsweise verteidigen kann, ohne Militärbündnissen beizutreten und auch, ohne sich an Waffenbündnissen wie zum Beispiel dem europäischen Nato-Luftverteidigunssystem Sky Shield zu beteiligen. Seine Überlegungen dazu können im «Schweizer Standpunkt» nachgelesen werden.2

Sein Fazit: Stabilität, eigene Verteidigung und Friedensdiplomatie – diese drei Faktoren führen zu Sicherheit. Statt Militärbündnissen beizutreten, sollte man sich mit der Frage beschäftigen: Wie kann Österreich wieder zur aktiven Friedenspolitik zurückkehren? – Ein dauerhafter Friede sei nur mit Russland möglich.

Ein ermutigendes Symposium, das half wichtige Fragen rund um die angebliche Notwendigkeit von Kriegen und Militärbündnissen zu klären. Die zahlreichen Teilnehmer im Saal verfolgten die Vorträge interessiert und bereicherten mit ihren Beiträgen und Fragen die Diskussion.

1 https://swiss-standpoint.ch/news-detailansicht-de-schweiz/ja-zur-schweizer-neutralitaet.html

2 https://www.schweizer-standpunkt.ch/news-detailansicht-de-international/schuetzt-der-sky-shield-oesterreich.html

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