Mut entwickeln für den Frieden
Auswirkungen propagandistischer Narrative von gut und böse und wie wir ihnen entgegenwirken können
von Marita Brune-Koch
(4. April 2025) Die Zerstörung der wirtschaftlichen Basis unserer Gesellschaft, die Einschränkung unserer Grund- und Freiheitsrechte, ja sogar die Anzettelung und Unterstützung von Kriegen, die uns alle treffen und zerstören könnten – warum machen die Menschen so vieles nahezu unwidersprochen mit?
Vieles wurde dazu bereits gesagt, Analysen zur Propaganda und ihrer Wirkung liegen vor. Wie aber sieht es im Innern der einzelnen Menschen aus? Warum widerspricht der einzelne nicht, sondern fügt sich – folgsam oder begeistert – in die drohende Zerstörung seiner wirtschaftlichen und sogar seiner physischen Existenz und der seiner Liebsten? Warum demonstrieren viele eher «gegen rechts» als für den Frieden?

Frieden einsetzen.» (Symbolbild zvg)
Spätestens seit Corona wird unsere Gesellschaft gespalten. Es wird eingeteilt, welche Meinungen richtig und welche falsch sind, welche Informationen erlaubt und geboten und welche als «Desinformation» geächtet, ja sogar verboten und gelöscht werden. Alles gipfelt darin, die Menschen in gute und böse einzuteilen.
Richtig und falsch, gut und böse
Es soll keinen offenen Diskurs geben, viele Fakten dürfen nicht einbezogen werden. Allen ist klar, was die richtige, die gute Seite ist und was die falsche und böse. Einige Beispiele:
- Richtig: Gegen Russen – Falsch: für Völkerverständigung.
- Richtig: für den totalen Krieg, «whatever it takes» – Falsch: für Frieden, für Diplomatie.
- Richtig: für «Faktenchecker», Denunziation, Verfolgung von missliebigen Meinungen auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze – Falsch: für Meinungsfreiheit und einen offenen Diskurs.
- Richtig: Kritik an Politikern und ihrem Handeln wird als «Deligitimierung des Staates» strafrechtlich verfolgt – Falsch: Der Staat sollte im Dienste der Bürger stehen, Bürger und Medien sollten staatliches Handeln kritisch beobachten und gegen Verletzungen von Bürgerrechten und -interessen Einspruch erheben.
- Richtig: Aufhebung der Bürgerrechte zur angeblichen Bekämpfung einer angeblichen Pandemie – Falsch: Gesundheitsprobleme – auch globale – müssen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft offen diskutiert werden, Bürgerrechte dürfen nur im äussersten Notfall und auf sehr begrenzte Zeit eingeschränkt werden.
- Richtig: wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen wie «Es gibt mehr als zwei Geschlechter» geben die Leitlinie staatlichen Handelns vor, Kritik daran wird geahndet und bestraft – Falsch: Staatliches Handeln muss sich an naturwissenschaftlich gesicherten Grundsätzen orientieren (es gibt nur zwei Geschlechter).
Der Schwefelgeruch des Bösen
Jeder, wirklich jeder Bürger weiss, welche Narrative als richtig und welche als falsch einzustufen sind. Die Propaganda hat gute Arbeit geleistet. Die Folge: Wer an beliebiger Stelle des öffentlichen oder beruflichen Lebens eine Meinung vertritt, eine Vermutung äussert oder auch nur eine Frage formuliert, deren Beantwortung einem der durchzusetzenden Narrativen entgegensteht, riskiert mindestens gesellschaftliche Ächtung, Ausschluss aus Gemeinschaften, aus der Familie, dem Freundeskreis oder dem Kollegium. Dem Andersdenkenden geht der «Schwefelgeruch des Bösen» voraus.
Die Spaltung überwinden
Nur wenige Menschen halten das aus, können das ertragen. Die meisten fühlen sich auf die Bejahung durch ihre Mitmenschen angewiesen, möchten zu den Guten gehören, den Recht-Denkenden, möchten geachteter, vielleicht bewunderter, mindestens aber zugehöriger Teil der Gemeinschaften sein, in denen sie leben.
Die wenigsten halten es aus, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, als «Unterstützer des Bösen» (z.B. den Russen) oder als «Gefährder der Allgemeinheit» (z.B. als Ungeimpfter) und so weiter gesehen und geächtet zu werden. Ausschluss aus der Gemeinschaft ist für die meisten Menschen kaum zu ertragen. Dies ist eine anthropologische Gegebenheit, die in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit Sinn gemacht hat. Ohne Zusammenhalt hätte die Menschheit nicht überlebt.
So kann es auch hier nicht darum gehen, die Angst vor dem Verlust der Gemeinschaft zu tadeln, auch nicht darum, «aufzurütteln» und zu agitieren. Auch das Schüren von Angst vor drohenden Apokalypsen, z.B. dem Atomkrieg, erweist sich als weniger effektiv als der dringende Wunsch, «nicht aus dem Rahmen zu fallen». Was also tun? Das Schlüsselwort ist Ermutigung. Wir müssen wieder lernen, mit allen zu sprechen. Wir müssen – und das fällt oft sehr schwer – auch dem zuhören, der ganz anderer Meinung ist als wir. Wir dürfen dem Reflex, Menschen anderer Meinung auszuschliessen, nicht nachgeben. Wir müssen lernen, Andersdenkenden mit Interesse und Freundlichkeit zu begegnen.
Wir sind eine Menschheitsfamilie
Wer den anderen verächtlich etikettiert, («Coronaleugner» versus «bekloppter Maskenträger») vertieft die Spaltung. Gewonnen ist damit nichts. Der Friedensforscher Daniele Ganser hat den Begriff geprägt: «Wir sind eine Menschheitsfamilie». Das könnte ein gutes Leitmotiv sein.
Es ist so wichtig, wieder im offenen Gespräch zueinanderzufinden, weil diese psychologischen Gegebenheiten, die Angst vor dem Ausschluss – oft direkter und stärker wirken als Strafandrohungen, wie z.B. Geld- oder Gefängnisstrafen.
Voraussetzung für Friedensbewegung: Freundliche Offenheit, Toleranz, Einigkeit im Bestreben nach Frieden
Wollen wir eine wirksame Friedensbewegung, gilt es, diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Wir müssen die Kontakt- und Denkverbote durchbrechen.
Teile der Friedensbewegung zum Beispiel schliessen einen grossen Teil von Menschen aus, die sich für den Frieden einsetzen. Häufiger Grund: Mit Rechten sprechen wir nicht.
Solche Kontaktverbote machen es den Kriegstreibern und den Befürwortern einer umfassenden und totalen Staatsgewalt leicht. Wir funktionieren so, wie es ihre Propaganda, ihre «strategische Kommunikation» von uns verlangt. Die «Friedensbewegung» stellt sich so, gewollt oder ungewollt, in den Dienst der Kriegstreiber. Wir lassen uns spalten, beschimpfen uns gegenseitig, schliessen uns gegenseitig aus, verweigern das Gespräch. Auf diese Weise kann man sich rühmen, zu den Guten zu gehören, doch in Wahrheit leisten wir so dem Krieg und der totalitären Entwicklung unserer Gesellschaft Vorschub.
Verdrehte Welt: Rechts ist links, links ist rechts
Weil es so wirkmächtig ist, noch ein Wort zur Diffamierung eines Teils der Bevölkerung als «Rechte». Traditionell galt: Linke, Liberale und Demokraten sind gegen den Krieg, für soziale Gerechtigkeit, für Meinungsfreiheit, für einen offenen Diskurs, für die Freiheit und Mitgestaltung der Bürger. Rechts stand eher für Krieg, für Machtambitionen, für restriktivere Gesetze, für eingeschränkte Meinungsfreiheit, für Staatsgewalt. Es ist der Propaganda gelungen, die Bedeutungen dieser historisch gewachsenen Begriffe umzudrehen, in ihr Gegenteil zu verkehren. Eine Friedensbewegung, die da mitmacht, betreibt das Geschäft der Kriegstreiber.
«Ob wir rote, gelbe Kragen, Helme oder Hüte tragen …»1
Lassen wir uns nicht weiter spalten. Pfeifen wir auf Kontaktverbote. Stärken wir einander im wichtigsten Bestreben, das die Menschheit haben kann: Der Schaffung und der Erhaltung von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. In Teilen der, wie soll man sagen, alternativen Bewegungen? Oppositionellen Bürgergemeinschaften? Querdenkerszenen? werden diese Grundsätze bereits gelebt: keine Kontaktverbote, Zusammenarbeit mit allen, die guten Willens sind und auch für Frieden und Freiheit einstehen. Einigkeit in den gemeinsamen Zielen, Toleranz und Leben-lassen in den Unterschieden.
Das sind ermutigende Entwicklungen.
1 https://deutschelieder.wordpress.com/2019/01/15/ob-wir-rote-gelbe-kragen/ «Ob wir rote, gelbe Kragen» (Bürgerlied)