Frankreich

Euthanasie und assistierter Suizid dürfen nicht als Pflege angesehen werden

(14. März 2023) (sv) Vertreter von 13 Berufsverbänden der Pflege in Frankreich haben es sich im Hinblick auf mögliche Gesetzesänderungen zur Aufgabe gemacht, die Konsequenzen einer Legalisierung von assistiertem Suizid und Euthanasie (siehe Kasten 1) auf die tägliche Pflegepraxis zu reflektieren und Gesetzgeber und Bevölkerung über die Resultate zu informieren. – Wir drucken hier die Kurzfassung ihrer Stellungnahme ab, die in Frankreich breite Beachtung gefunden hat. Diese Beachtung verdiente sie auch in vielen westlichen Staaten, in denen das Tötungsverbot bereits in Frage gestellt oder abgeschafft ist.

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«13 unterzeichnende Organisationen, die 800 000 Pflegekräfte vertreten, veröffentlichen am Donnerstag, 16. Februar 2023 eine ethische und praktische Stellungnahme zu den Folgen einer möglichen Legalisierung der Euthanasie und des ärztlich assistierten Suizids. Sie bekräftigen, dass diese Praktiken, die die Pflegenden direkt involvieren, in keiner Weise in den Bereich der Pflege fallen können, und warnen den Gesetzgeber vor den Gefahren, die eine solche Entwicklung für verletzliche Personen mit sich bringen würde.

Bürgerkonvent über das Lebensende

In seiner Stellungnahme vom 13. September 2022 zog der französische Nationale Ethikrat (Comité consultatif national d'éthique, CCNE) die Legalisierung einer Form des medizinisch assistierten Todes in Erwägung. Seit dem 9. Dezember 2022 tagt zu Fragen des Lebensendes in Frankreich der Bürgerkonvent, ein Gremium von 185 durch das Los bestimmten Mitgliedern aus 80 verschiedenen Organisationen. Bis Ende März 2023 muss der Konvent Premierminister Emmanuel Macron einen Bericht zum Thema Lebensende vorlegen.
Am 19. Februar 2023 nahm der Bürgerkonvent eine erschreckende Wende und stimmte zu 75% für eine Öffnung des Zugangs zur «aktiven Sterbehilfe» (Euthanasie oder assistierter Suizid). Die Organisation Alliance VITA, ein 1993 gegründeter Verein für die Menschenwürde, warnt vor einem populistischen Abdriften, wenn Leben nicht mehr als lebenswert behauptet wird.
(siehe https://www.alliancevita.org/2023/02/effroi-vote-convention-citoyenne)

Während der Bürgerkonvent über das Lebensende in den nächsten Wochen seine Schlussfolgerungen vorlegen wird, erklären 13 Berufsverbände, die direkt in die tägliche Begleitung von Menschen am Lebensende eingebunden sind und fast 1 Million Pflegekräfte vertreten, dass:

  • Verletzliche Personen, für die das Gebot der Autonomie unangemessen ist, werden durch die Botschaft, die eine solche Gesetzgebung an sie aussendet, direkt bedroht: Kinder, abhängige Personen, Personen mit psychiatrischen oder kognitiven Störungen, Personen, die sich in einer sehr prekären sozialen Lage befinden.
  • Die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Pflegepraxis sind mit der Durchführung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid unvereinbar.
  • Folglich können diese Handlungen in keiner Weise als Pflege angesehen werden, es sei denn, man untergräbt deren Definition grundlegend.

Diese Organisationen, die sich bedingungslos und unabhängig vom Kontext für die Begleitung und Pflege von Menschen am Lebensende einsetzen, fordern den Gesetzgeber und die Regierung auf:

  • Den Zugang zu palliativmedizinischer Versorgung für alle, die sie benötigen, wirksam zu gestalten.
  • Die Welt der Pflege aus allen Plänen zur Legalisierung einer Form des administrierten Todes herauszuhalten.
  • sich auf die Erneuerung des stark geschädigten Gesundheitssystems zu konzentrieren.

Unsere Mitbürger sind täglich mit beispiellosen Mängeln in der Gesundheitsversorgung konfrontiert: Kündigungen von Pflegekräften, Regionen mit fehlender medizinischer Versorgung, Medikamentenmangel, Mängel bei der Betreuung und Begleitung von Patienten oder Schliessung von Krankenhausabteilungen. Die unterzeichnenden Organisationen fordern alle auf, eine Welt des Gesundheitswesens, die sich in einer sehr fragilen Lage befindet, nicht weiter zu destabilisieren.»

Pressekontakt: SFAP, saintvaulry@droitdevant.fr, Tel. +33 609 48 49 60

Quelle: https://sfap.org/actualite/l-euthanasie-et-le-suicide-assiste-ne-peuvent-pas-etre-consideres-comme-des-soins

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

Die ausführliche Stellungnahme vom 16. Februar 2022 finden Sie hier auf französisch: https://sfap.org/system/files/avis_ethique_commun_-_160223.pdf

Die Stellungnahme der 13 Berufsverbände der Pflege stützt sich auch auf den seit 2500 Jahren ethisch bedeutsamen «Hippokratischen Eid» in einer 2012 von der «Ärztekammer» Frankreichs aktualisierten Fassung:

«Zum Zeitpunkt meiner Zulassung zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit verspreche und schwöre ich, den Gesetzen der Ehre und der Redlichkeit treu zu sein.
Meine erste Sorge wird es sein, die Gesundheit in all ihren Bestandteilen, körperlich und geistig, individuell und sozial, wiederherzustellen, zu erhalten oder zu fördern.
Ich werde alle Menschen, ihre Autonomie und ihren Willen respektieren, ohne Diskriminierung aufgrund ihres Zustands oder ihrer Weltanschauung. Ich werde eingreifen, um sie zu schützen, wenn sie geschwächt, verletzlich oder in ihrer Integrität oder Würde bedroht sind. Selbst unter Zwang werde ich mein Wissen nicht gegen die Gesetze der Menschlichkeit einsetzen.
Ich werde Patienten über geplante Entscheidungen, deren Gründe und Folgen informieren.
Ich werde ihr Vertrauen niemals missbrauchen und die Macht der Umstände nicht ausnutzen, um Gewissensentscheidungen zu erzwingen.
Ich werde den Bedürftigen und jedem, der mich darum bittet, meine Fürsorge zukommen lassen. Ich lasse mich nicht von Gewinnsucht oder dem Streben nach Ruhm beeinflussen. Ich werde in die Privatsphäre von Personen eingelassen und werde die mir anvertrauten Geheimnisse verschweigen. Wenn ich in das Innere von Häusern eingelassen werde, werde ich die Geheimnisse der Haushalte respektieren und mein Verhalten wird nicht dazu dienen, die Sitten zu verderben.
Ich werde alles tun, um Leiden zu lindern. Ich werde den Todeskampf nicht missbräuchlich verlängern. Ich werde den Tod niemals absichtlich herbeiführen.
Ich werde die Unabhängigkeit bewahren, die ich zur Erfüllung meiner Aufgaben benötige. Ich unternehme nichts, was meine Fähigkeiten übersteigt. Ich werde meine Fähigkeiten aufrechterhalten und weiterentwickeln, um die von mir geforderten Dienste bestmöglich zu erfüllen.
Ich werde meinen Berufskollegen und ihren Familien in schwierigen Zeiten beistehen.
Die Menschen und meine Mitbrüder sollen mir ihre Achtung entgegenbringen, wenn ich meine Versprechen halte; ich soll entehrt und verachtet werden, wenn ich sie nicht halte.»

Quelle: https://sfap.org/system/files/avis_ethique_commun_-_160223.pdf

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