Der Preis des Klimaalarmismus

Michael Klein.
(Bild zvg)

«Klimaangst» ist kein Weg zu einer besseren Welt

von Michael Klein,* Deutschland

(23. November 2023) Viele Aktivisten und Politiker glauben, den Menschen Angst machen zu müssen, um die Erderwärmung zu stoppen. Das hat massive mentale Folgen, gerade für die junge Generation.

Das Klima ist in aller Munde. Begriffe wie «Klimawandel», «Klimakrise» oder «Klimakatastrophe» beherrschen mittlerweile die Medien. Wie eine empirische Analyse unlängst zeigte, tauchte in fast jeder zweiten «Tagesschau» der ARD der letzten zwei Jahre das Thema Klima auf – selbst wenn es keine aktuellen Ereignisse mit direktem Bezug gab.

Der Klimawandel wird auch in Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Hilfe angsterzeugender Berichterstattung und Konnotationen zur Auslösung einer mentalen Krise der Bevölkerung, besonders der jungen Generation, benutzt. Vertreter der Bewegung «Psychologists for Future» wie auch anderer «Fridays for Future»-Gruppen fordern angsterzeugende Klimaberichterstattung in den Medien, um die Menschen konform und gehorsam zu machen. Dabei fehlt gerade ihnen der kritische Abstand zum Thema Klimaangst. Durch die umfassende Präsenz des Klimathemas im Alltag werden chronisch negative Emotionen und Stimmungen erzeugt – ohne Berücksichtigung der möglichen langfristigen Effekte. Denn es ist riskant für die psychische Gesundheit, besonders wenn dauerhaft belastende Gefühle und Affekte vorherrschen, ein Zusammenhang, der im Kindes- und Jugendalter besonders intensiv ist. Infolge der klimaalarmistischen Entwicklung der Medien haben sich auch die verwendeten Konzepte radikalisiert. Von «Klimawandel» und «Klimaveränderung» gab es einen angstverstärkenden Wandel zu Begriffen wie «Klimakrise» und «Klimakatastrophe».

Gerade jüngere Menschen geraten infolge der medialen Dauerdarbietung von Krisenszenarien von Corona, Krieg und Klima immer mehr in Angst, Panik und Depressivität. Eine hyperstressige öffentliche Stimmung, die dauerhaft Kummer, Depression und Panik auslöst, hilft niemandem bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben. Sie stellt vielmehr eine Gefahr für die psychische Gesundheit der nächsten Generation dar. Daueralarmismus in Klimafragen leistet darüber hinaus einen Bärendienst für eine gelingende nachhaltige Umweltschutzpolitik, die differenzierte, kritisch-rationalistische Forschung sowie innovative und smarte Lösungen erfordert.

Die Bevölkerung gefügig machen

Klimapsychologen der Organisation «Psychologists for Future» fordern, dass die Medien täglich über die Klimakrise berichten. Diese und andere Aktivistengruppen empfehlen Journalisten, das Klimathema ganz nach oben auf die Agenda zu setzen und auch Zukunftsangst zu verbreiten. Dabei ist die Situation hinsichtlich der Verarbeitung klimabezogener Meldungen bereits kritisch: Eine Studie der Universität Erfurt hat gezeigt, dass sich immer mehr Menschen von der öffentlichen Klimaberichterstattung abwenden: 26 Prozent der Befragten würden solche Meldungen oft oder sehr oft vermeiden und weitere 17 Prozent gelegentlich.

Über die Langzeitfolgen solcher angstaffiner Meldungen ist bisher wenig bekannt. Der Bevölkerung soll durch dauernde Klimaschreckensmeldungen eine tiefe und dauerhafte Angst eingeflösst werden, die sie schliesslich dazu bringt, alle noch so weitreichenden Massnahmen klaglos zu akzeptieren. Die Strategie hinter der medialen Klimakommunikation weist unverkennbare Ähnlichkeiten mit der Corona-Kommunikationspolitik auf, wo in einem internen Papier des deutschen Innenministeriums die Benutzung von Angst- und Panikmeldungen als geeignete Kommunikationsstrategie geradezu empfohlen wurde. Angst – das ist seit Jahrtausenden bekannt – ist die beste Methode, Menschen und Massen gefügig und abhängig zu machen.

Kritische Nachfragen zu den Grundlagen und der Validität der Klimaprognosen werden von Klimaaktivisten ebenso wie von Journalisten routinemässig als Verschwörungstheorien verunglimpft. Auch in der Wissenschaft unterbleiben übliche und notwendige kritische Reflexionen. Auffallend dabei ist die intolerante und unsouveräne Grundhaltung der meisten Klimaaktivisten. Sie stellen sich als diejenigen dar, die über das einzig richtige Wissen verfügen, in einem gewissen Sinne also die Erleuchteten sind, was sie dazu befugt, alle kritischen Anfragen und Reflexionen abzuschmettern. Ihr Erleuchtetsein gibt ihnen subjektiv das Recht, gerade auch Kindern und Jugendlichen durch hysterische Klimadarstellungen Zukunftsangst zu injizieren. Ein massenpädagogisches Experiment mit ungewissem Ausgang.

Das Klimaproblem wird ein Klimaangstproblem

Klimaangst ist inzwischen ein weitverbreiteter Begriff. In einer in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Lancet» 2021 erschienenen internationalen Studie mit 10 000 Teilnehmern aus zehn Ländern gaben zwei Drittel der Befragten zu Protokoll, wegen des Klimawandels Angst zu empfinden. 60 Prozent machten sich sehr grosse oder extreme Sorgen, dass der Klimawandel die Menschheit und den Planeten bedrohe. 75 Prozent gaben an, dass für sie die Zukunft beängstigend sei, und 56 Prozent waren sich sicher, dass die Menschheit dem Untergang geweiht sei. Mehr als 45 Prozent gaben an, dass ihr Alltag durch Klimaängste negativ geprägt sei. Zunehmend kommen immer mehr Aktivist(inn)en zum Schluss, dass sie bei der als extrem bedrohlich dargestellten Zukunft keine Kinder mehr in die Welt setzen möchten.

In Deutschland gaben in der jüngsten Shell-Jugendstudie von 2019 zwei Drittel der Befragten an, der Klimawandel mache ihnen grosse Angst. Gerade unter Kindern und Jugendlichen ist Klimaangst weit verbreitet. Tendenziell berichten neben jüngeren Menschen Studierende und Akademiker über mehr Klimaangst. Auch bei Frauen, die häufiger als Männer unter Angststörungen leiden, finden sich mehr Klimaangstprobleme. Diese vulnerablen Gruppen sind denn auch die primären Zielgruppen der apokalyptischen Klimaberichterstattung. Interessanterweise verfängt diese bei gesellschaftlich verankerten, im Leben stehenden Gruppen – Handwerkern, Technikern, Ingenieuren, älteren Menschen mit Lebenserfahrung – weniger. Was junge Menschen heute in Bezug auf Klimaängste mehr denn je bräuchten, wäre psychische Resilienz gegen die Dauerberieselung mit Angstbotschaften. Dafür sind aktivistische und negativistische Haltungen schlecht geeignet.

Die durch die Medien erzeugten Hyperemotionen belasten auf Dauer das Stresssystem der Menschen und können zu psychischen Störungen führen. So verständlich im Einzelfall Angst als spontane Reaktion auf die Dauerexposition gegenüber Katastrophenszenarien ist, hilft dies weder den Betroffenen noch der Sache. Immer häufiger ist es der Klimaalarmismus, der Menschen krank macht: Angsterkrankungen, vor allem Phobien, Panikstörungen und generalisierte Angststörung, Depressionen und Psychosen sind die möglichen Folgen. Dabei findet Klimaangst als solche noch keine offizielle Anerkennung als psychische Erkrankung, weil damit die Anerkennung der übertriebenen Irrationalität der Angst, ein Kriterium der Krankheitskategorie «Phobie», verbunden wäre.

Besonders das Narrativ von den Klimakipppunkten eignet sich vorzüglich zur Erzeugung von Zukunftsängsten. Die wissenschaftliche Solidität der Klimakipppunkte ist schwach, denn das Weltklima folgt seit Millionen Jahren Zyklen und hat noch nie irreversible Kipppunkte aufgewiesen. Eine tatsächliche Gefahr jedoch stellen die sozialen Kipppunkte dar, durch die immer mehr Menschen den alarmistisch motivierten Extrembotschaften erliegen, was zu Hysterie, Radikalisierung und Panik führt. Weil Kritiker des Klimaalarmismus, der in den Leitmedien zum Mainstream geworden ist, dort nicht mehr zu Wort kommen oder durch Cancel Culture und Deplatforming bedroht sind, fehlt die für die öffentliche Meinung so notwendige kritische Debattenkultur.

In den Medien herrscht auf allen Kanälen permanente Alarmstimmung, die auch viele öffentlich-rechtliche Sender mitmachen. In erster Linie sollte die Klimakommunikation jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der Datenlage fördern und Lösungswege aufzeigen. Wird kontinuierlich Angst und Panik geschürt, steigt mittel- und langfristig das Risiko für chronische Angststörungen, Depression, aber auch für Resignation und Abstumpfung, da der erzeugte Stress andernfalls nicht toleriert werden kann. Für eine nicht geringe Zahl der Empfänger dauernder Klimahorrormeldungen führt der Weg in Klima-
angst und -depression. Es ist kaum zu fassen, wie Journalisten und Redaktionen so naiv oder risikobereit sein können, permanent Klimastress auf die Zuschauer auszuüben.

Aufklärung tut not

Fehlt der kritische Abstand zwischen Thema und Bewertung, stellt sich eine gefährliche Mischung aus Scheinobjektivität und Aktionismus ein. Die meisten Medienvertreter greifen die alarmistische Stimmung auf und verstärken sie. So entstehen immer neue angstvolle Rückkoppelungsschleifen für das Medienpublikum. Die ständige Wiederholung hochemotionaler Botschaften erzeugt bei den Rezipienten Konformismus, lähmt Skepsis und Widerspruch, sorgt aber bei vielen auch für Angst und Depression. Oft wiederholte Botschaften machen vulnerable Personen mürbe und abhängig.

Katastrophen- und Weltuntergangsfantasien beherrschen inzwischen bei mehr als der Hälfte der Jugendlichen das Denken und Handeln. Alles eine gute Mixtur für eine postmoderne Religion, aber keine gute Voraussetzung für eine bessere Gesellschaft, geschweige denn zur Rettung der Welt. Hierfür braucht es Rationalität, Innovationen und kluge Verhaltensanreize. Dauerhaft Angst und Schrecken zu erzeugen, führt besonders junge Menschen in Furcht und Abhängigkeit. Zur Überwindung von Angst ist nicht Angst nötig, sondern Klugheit, Gelassenheit und Weisheit.

Es bedarf einer Dekonstruktion der hyperemotionalen Klimaberichterstattung. Statt Alarmismus sollten die Medien die gesamte Breite der Klimaforschung und der Konsequenzen für die Klimapolitik einschliesslich skeptischer und kritischer Haltungen offen darlegen. Die Menschen können sich bestenfalls selbst bei Medien und Forschern informieren, die kritisch und kontrovers berichten. Vor allem ist es für ängstliche Rezipienten der Klimaberichterstattung wichtig zu verstehen, dass Forschung niemals einstimmig und homogen stattfindet. Seit Galileo Galilei und Albert Einstein lebt die Wissenschaft von Widerspruch und Zweifel.

Die Bewahrung der Schöpfung sollte aus Einsicht und nicht aus Angst vor dem Höllenfeuer gelingen. Es bedarf einer umweltsensiblen und naturfreundlichen Erziehung, die die gemeinsame Verantwortung für Umwelt und Klima stärkt, ohne die psychische Gesundheit und den Wohlstand der Menschen durch dauerhafte Angsterzeugung und irrationale politische Konsequenzen aufs Spiel zu setzen. Menschen können sich gut an Krisen und Veränderungen anpassen, wenn sie kritische und differenzierte Informationen erhalten, Unterstützung erfahren und Gemeinsinn erleben. Am Ende muss sich jeder ein Bild machen von der Welt, in der wir leben wollen und werden. Klimaangst, Klimapanik und Klimapsychose jedenfalls sind kein Weg zu einer besseren Welt.

* Michael Klein ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in Köln. Er befasst sich vor allem mit Angst- und Suchtstörungen.

Quelle: «Schweizer Monat» Ausgabe 1111, November 2023. https://schweizermonat.ch/focus/psychische-gesundheit/. 1. November 2023

(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)

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