Gut Haushalten in der Krise

(Bild mt)

von Elisabeth Willi, Hauswirtschaftslehrerin und Psychologin

Auch in der wohlhabenden Schweiz können Menschen wegen Betriebsschliessungen, Lohnkürzungen oder Krankheit unvorhergesehen arbeitslos werden. Frühere Krisen und auch die Coronakrise hinterlassen leider viele Spuren. Unverschuldet decken die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr, Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden, das Familienbudget gerät in Schieflage. Die durch die Finanzkrise rasant angestiegene Verschuldung einzelner Länder wird vielerorts in nächster Zukunft Auswirkungen haben auf Saläre und Renten. Aber auch Schicksalsschläge wie Trennungen oder Todesfälle verringern oft das Einkommen.

Auch in solch schwierigen Zeiten ist immer ein Spielraum vorhanden, initiativ das «Heft in die Hand» zu nehmen – selber einen Beitrag zur Existenzsicherung zu leisten. Menschen können viel mehr selber machen als sie denken, Arbeiten ausführen, Produkte herstellen oder kleinere Reparaturen vornehmen. Vieles was in früheren Zeiten selbstverständlich war, ist uns abhandengekommen.

Aber nicht nur für Arbeitslose oder von Kurzarbeit Betroffene, auch für die berufstätige Bevölkerung kann dies ein Quell der Erholung, eine Bereicherung sein. Die junge Generation erlebt vorbildliches Tun in der Freizeit, beim gemeinsamen Arbeiten und beim Werken – etwas, was gerade für eine weniger gesicherte berufliche Zukunft wichtig sein kann. Erlebt ein kleines Kind bereits, wie Mutter und Vater mit Freuden etwas hämmern, werkeln, nähen, gärtnern, renovieren und sich in die Hand arbeiten und auch die Kinder altersadäquat mithelfen lassen und anleiten, so ist dies die beste Prophylaxe für schwierige Zeiten. Nicht nur in Notsituationen befriedigt praktische Arbeit, die auch immer gedankliche Arbeit bedeutet.

Ein Freund erzählte mir oft, wie er mit seinem Grossvater gehämmert, genagelt und gestrichen hat. Dieser war geduldig, sorgte aber dafür, dass die Arbeiten gut ausgeführt wurden. Anschliessend wärmten die beiden auf einem alten Ofen ihre Würstchen. Stimmungsmässig greift er noch heute auf diese Beziehung zurück, fragt seine Kollegen oder andere Handwerker um Rat und kann sich vieles selber überlegen und selber machen, was ihm Freude macht und einige Kosten erspart.

Einer unserer Nachbarn renoviert seit Jahren mit Leidenschaft sein Haus. Er musste seine Werkzeuge vor seinem damals zweijährigen Sohn wegräumen, dieser wollte unbedingt mitmachen, doch es war noch etwas zu gefährlich für ihn.

Viele Leser hätten solche Beispiele anzufügen. Es ist gut, wenn man solche Dinge mit einem gewissen «Herzblut» kennen lernt, wenn die Not noch nicht so gross ist. Dann kann man bei Bedarf erfolgreich darauf zurückgreifen.

(Bild lw)

Gerne schildere ich noch ein Beispiel aus meinem Beruf. Als der erste Angriffskrieg der Nato auf europäischem Boden ausgelöst wurde, war klar, dass dies unser Leben in den kommenden Jahren verändern würde. 1999 fand der Angriff auf Serbien statt. Genauso wie heute bestand die Gefahr, dass wir in eine Versorgungskrise geraten könnten. Ich bot, zusammen mit zwei anderen erfahrenen Hauswirtschaftslehrerinnen, einen Grundlagenkochkurs an, der sich vor allem an erwachsene Frauen – ein Mann war auch dabei – richtete, die weder in ihrer Familie noch in der Ausbildung Gelegenheit gehabt hatten systematisch in die Grundlagen des Kochens eingeführt zu werden. Die meisten hatten ein Studium hinter sich, bewährten sich bestens im Beruf, hatten WG-Erfahrung aber in Haushaltführung einen deutlichen Nachholbedarf. Später kamen noch Tageskurse für das Konservieren von Obst und Gemüse dazu.

Heute, viele Jahre später, haben einige Teilnehmer Familie oder ein Haus mit Garten. Ich beobachte, wie aus ehemaligen Studenten und «Stadtpflanzen» tüchtige Hausfrauen geworden sind, welche diese Fertigkeiten nicht bei ihren Müttern gelernt haben sondern im Erwachsenenalter. Heute sind sie ihren Kindern ein schönes Vorbild.

Im Frühling 2020, während des ersten Lockdowns, haben viele Familien und Paare Brot und Gebäck wieder selber hergestellt. Es gibt unzählige schmackhafte Menus aus einfachen Grundnahrungsmitteln, die bedeutend besser schmecken und gesünder sind als gekaufte Fertiggerichte. Durch Ausprobieren von Neuem und Altbewährtem wächst auch die Freude über Gelungenes.

Zurück